Kommentar- Joschka Fischer, der ehemalige Bundesaußenminister meldete sich am 22.März 2011 in der „Süddeutschen Zeitung“ zu Wort und bezeichnete die deutsche Außenpolitik als Farce. Es ist der Streitfall- Libyen, der inzwischen viele ehemalige Politiker, Autoren, Journalisten und auch den ehemaligen Viersterne- General der NATO Egon Ramms zu tatkräftigen Äußerungen in den Medien treiben.
Die völkerrechtsverletzenden Taten des libyschen Diktators Muamma al- Gaddafi riefen den Völkerbund zusammen, zumal schon Frankreichs Ministerpräsident Nicolas Sarkozy als erster kettenrasselnd zu den Waffen rief. Der UN-Sicherheitsrat trat am 17. März 2011 zusammen, um über das gemeinsame Handeln gegen Gaddafi zu beraten. Das Ergebnis war die „Resolution 1973“, die dann in der Nacht zum Freitag den 18. März 2011 bekanntgegeben worden ist. Ein Flugverbot wurde eingerichtet, um Gaddafi in die Knie zu zwingen. Bis hier klingt alles nach einem schnellen und besonnenen Handeln. Deutschland, stellvertretend Guido Westerwelle, war zu Beginn für eine Intervention, für ein rasches Handeln des UN-Sicherheitsrates. Als der Völkerbund zusammen trat und die Abstimmung vollzogen worden ist, trat Deutschland in der ursprünglichen Haltung zurück und enthielt sich der Stimmenabgabe, tat es China und Russland gleich.
Joschka Fischer spricht dabei von Scham die er empfindet, angesichts dessen, dass die Mehrheit des Sicherheitsrates, die Unterstützung von „Arabischer Liga“, der „Organisation Islamischer Staaten“ und die Beteiligung zweier arabischer Staaten für die Unterstützung einer humanitären Intervention mehr als genug sind, um einem unterdrückten und gepeinigten Volk schnelle und wirksame Hilfe zukommen lassen zu können.
Kämpfte und warb Deutschland lange für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat und sprach im Bezug auf Europa immer von einem „Wir- Gefühl“. Nun kam das AUS, der Knopf wurde durch Guido Westerwelle unaufhaltsam gedrückt. In der Sendung „Menschen bei Maischberger“ äußerte sich am 22.März 2011 unter anderem Peter Scholl-Latour zum Thema „Bomben auf Gaddafi“. Schnelles Handeln sei jetzt angebracht, Gaddafi gäbe nur den Anschein einer militärischen Macht und die Angst der Deutschen im Bezug auf eventuelle Angriffe des Diktators auf zivile Urlaubsflieger seien vollkommen unberechtigt.
Aber hat denn die Resolution ein aktives Mitwirken deutscher Truppen gefordert oder erwartet? Nein, denn lediglich Frankreich, Großbritannien und die USA intervenieren im Mittelmeer gegen Gaddafis Truppen. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin bezeichnete die militärische Intervention als „leichtfertig“ und „Aufruf zu einem mittelalterlichen Kreuzzug“. Nach allem Reden, Diskutieren und Beschlüsse fassen, wo steht jetzt Deutschland? Befinden wir uns noch im Herzen Europas? Wir haben uns durch Außenminister Westerwelles Enthaltung an den Rand des europäischen und internationalen Bündnisses katapultiert.
Deutschland wurde weder in Brüssel, noch in New York dazu aufgefordert, Truppen in die Mittelmeerregion zu entsenden. Inzwischen streitet sich sogar die NATO über einen militärischen Einmarsch in Libyen, handelt es sich völkerrechtlich um einen souveränen und anerkannten Staat. Wer möchte angesichts des Balkan- Einsatzes und Afghanistan die Führung und damit verbunden die Verantwortung im Fall Libyen übernehmen? Sicherlich war das nicht der Grundgedanke Westerwelles, lässt sich über sein Handeln nur mutmaßen, stehen doch weitere Landtagswahlen an. Vorreiter für einen misslungenen Stimmenfang war Gerhard Schröder, als er 2003 verkündete, Deutschland enthält sich dem Irak-Einsatz, lieferte dann aber im Anschluss Ausrüstung, um die transatlantische Beziehung nicht noch weiter zu strapazieren.
Wie wird sich also der außenpolitische Kollateralschaden minimieren und gleichzeitg das libysche Volk unterstützen lassen? Nur gut gemeinte Worte werden hier nicht helfen. (eh)
Resolution 1973
Was erlaubt Resolution 1973?
Das Papier geht deutlich über das zunächst angestrebte Flugverbot hinaus. Jetzt können auch Luftschläge gegen die Truppen von Diktator Muammar l-Gaddafi geführt werden. Seine Luftwaffe könnte so schon am Boden zerstört werden. Auch Angriffe auf Gefechtsfahrzeuge und Stellungen sind möglich, ebenso auf die Söldner-Kolonnen, die ständig unterwegs sein sollen. Vom Meer aus könnten Kreuzer oder U-Boote Marschflugkörper abfeuern.
Was erlaubt Resolution 1973 nicht?
Definitiv ausgeschlossen ist der Einsatz «einer Besatzungstruppe in jeder Form und in jedem Teil der Republik Libyen». Bodentruppen wird es also nicht geben. Und: Jedes militärische Eingreifen muss dem Schutz von Zivilisten dienen.
Wer darf handeln?
Allgemein wurde der Einsatz von Nato-Flugzeugen erwartet, insbesondere aus Frankreich und Großbritannien, vielleicht aus den USA und Kanada. In Abstimmung mit den UN darf aber jedes der 192 Mitgliedsländer handeln, auch allein. Insbesondere die arabischen Nachbarn Libyens sollen mit einbezogen werden.
Sieht die Resolution ausschließlich militärische Schritte vor?
Nein, das ist der kürzeste, wenn auch stärkste Teil von Resolution 1973. Das Papier verschärft auch die Kontrollen des Waffenembargos und verbietet die Versorgung der ausländischen Söldner in Libyen. Zudem sieht es Reisebeschränkungen für die libysche Nomenklatur vor, deren ausländische Konten zudem eingefroren wurden.
Gibt es stärkere Instrumente? Wie sind die Erfolgsaussichten?
Die Autorisierung zu militärischer Gewalt ist die stärkste Waffe des Sicherheitsrates. Die Erfolgsaussichten sind recht hoch – wie die umgehende angekündigte Waffenruhe aus Tripolis zeigte. In der Vergangenheit haben sich solche Resolutionen, etwa in Korea, dem Irak oder Ex-Jugoslawien, oft als wirkungsvoll erwiesen – meist aber erst, nachdem die angedrohte militärische Gewalt auch eingesetzt wurde. (Quelle: dpa/ SZ)