Politiker sein, das kann ganz schön anstrengend sein. Man hat jeden Tag eine Unmenge Termine, dabei oftmals auch noch mit Menschen, die man eigentlich nicht mag. Dann kommt hinzu, dass man möglicherweise auch nicht dort lebt, wo man arbeitet. Also muss der Politiker oder die Politikerin viel reisen, um sich auch mal in seinem Wahlkreis sehen zu lassen. Ach welch Mär, diese politische Verantwortung, das Volk zu bevormunden. Gesetze müssen erlassen werden, viel Schreibkram also. Dann kommen möglicherweise auch noch die vielen netten JournalistenInnen, die viele Fragen stellen. Abends kann der Volksvertreter dann erst einmal so richtig entspannen, denn dann geht es oft in teure Restaurants, in denen Lobbyisten einen Tisch reserviert haben. Es kann gemütlich werden, denn ein Politiker muss schließlich auch Pläne für seinen beruflichen Werdegang nach seiner politischen Karriere machen dürfen. In der Realität sieht das dann so aus:
Das hohe Arbeitspensum wird selbstverständlich honoriert. Das Grundgehalt eines Bundestagsabgeordneten, das offiziell als Abgeordnetenentschädigung bezeichnet wird, beläuft sich seit dem 1. Juli 2017 auf 9.541,74 € pro Monat. Die Höhe orientiert sich am Gehalt eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes und passt sich jedes Jahr auf Basis des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Nominallohnindexes an, also der allgemeinen Lohnentwicklung in Deutschland. Sozialabgaben werden ebenfalls geleistet, wie Beamte erhalten sie aber auch Beihilfe für Kranken- und Pflegeversicherung. Wer mindestens ein Jahr Abgeordneter im Bundestag war, hat mit Vollendung des 67. Lebensjahres Anspruch auf eine Altersentschädigung. Die Höhe dieser Altersentschädigung richtet sich nach der Dauer der Zugehörigkeit – für ein Jahr beträgt sie 2,5 Prozent der aktuellen Abgeordnetenentschädigung und mit jedem zusätzlichen Jahr wächst sie um weitere 2,5 Prozent. Bei maximal 65 Prozent der aktuellen Abgeordnetenentschädigung ist allerdings die Obergrenze erreicht. Neben den Abgeordnetenentschädigungen, die oft auch als Diäten bezeichnet werden, erhalten alle Parlamentarier monatlich eine steuerfreie Aufwandspauschale in Höhe von aktuell 4.318,38 €. Damit sollen die Zweitwohnung in Berlin, Fahrten innerhalb des Wahlkreises oder andere Aufwendungen finanziert werden, die durch das Mandat entstehen.
P.S.: Alle Bundestagsabgeordneten fahren kostenfrei in der 1. Klasse der Betriebe der Deutschen Bahn. Die Kosten für Inlandsflüge trägt der Bundestag, die Dienstreisen ins Ausland müssen jedoch vorab genehmigt werden.
Wenn nun ein Abgeordneter sein Mandat verliert weil er die Politik verlässt, was macht der dann eigentlich so? Genießt er seinen Lebensabend, oder waren die politisch relevanten Abendessen mit den lieben Lobbyisten nicht ganz umsonst?
Für den ehemaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr war die Wahlniederlage der FDP 2013 eine bittere Pille. Umstritten ist daher sein beruflicher Wechsel danach zum Versicherer Allianz. Dort ist er Manager im Bereich private Krankenversicherung. Nicht einmal ein Jahr dauerte es, bis er sein neues Büro bezogen hatte.
Nach Recherchen von NDR und „Süddeutscher Zeitung“ arbeitet Ole von Beust seit Anfang des Jahres unter anderem für einen Konzern, der in Deutschland auch illegales Glücksspiel anbietet. Nach dem Ausscheiden aus der Politik gründete er die Polit-Beratungsagentur Ole von Beust Consulting GmbH. Einer dieser Kunden war für mehrere Jahre der Deutsche Lotto- und Toto-Block, die Vertretung der staatlichen Lotterien in Deutschland. Zu von Beusts Aufgaben für Toto-Lotto gehörte es damals auch, den Kampf gegen illegale Glücksspielanbieter zu führen, die seit einigen Jahren in Deutschland Fuß fassen. Doch Ende 2016 fand die bisher harmonische Geschäftsverbindung zwischen von Beust und dem Lotto-Toto-Block ein abruptes Ende. Inzwischen hat von Beust sein berufliches Engagement auf weitere Anbieter erweitert, welche stark im Fokus der Medien und der Justiz stehen. Pokerstars hat z.B. über Jahre hinweg auch in den USA verbotenerweise Online-Glücksspiele angeboten, bis im Jahr 2011 das FBI aufmerksam wurde.
Der 1945 geborene Rainer Brüderle arbeitete von 2009 bis 2011 als Wirtschaftsminister im deutschen Bundestag. Seine Expertise im Steuerrecht nutzt er heute als Vorsitzender des Steuerzahlerbundes in Rheinland-Pfalz. Zudem unterhält er die Rainer Brüderle Consult in Mainz, mit der er Beratungen zur EU- , Steuer- und Energiepolitik berät.
Die Bild schrieb 2011: „Es war das Beben der Woche. CDU-Spitzenkandidat Christian von Boetticher stürzt über die Affäre mit einer 16-Jährigen […]“. Er galt als Kronprinz der CDU in Kiel, von Bötticher begann bereits 1987 seine politische Karriere in der Jungen Union. Heute ist der promovierte Jurist Geschäftsführer des Lebensmittelherstellers Peter Kölln (Köllnflocken) in Elmshorn.
Der 1948 geborene Joschka Fischer zog sich ein knappes Jahr nach der Bundestagswahl 2005 zog aus der aktiven Politik zurück. Erstaunlicherweise war der GRÜNEN Politiker der ersten Stunde nach dem Ende seiner politischen Karriere beratend und/oder als Lobbyist für Konzerne wie Siemens, BMW sowie für die Energiekonzerne RWE und OMV (Nabucco-Pipeline) tätig. Zudem schreibt Fischer heute noch zu innen- und außenpolitischen Themen Gastbeiträge für diverse Tageszeitungen.
Wolfgang Clement, geboren 1940 ist nach seiner politischen Karriere von 1998 bis 2002 als siebenter Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und von 2002 bis 2005 Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit in diversen Unternehmen untergekommen. So ist der heute 77 jährige u.a. im Aufsichtsrat der Daldrup & Söhne AG tätig, er wurde 2006 in den Aufsichtsrat der Landau Media AG und weiteren Unternehmen berufen.
Neuer Job, neues Glück, oder so ähnlich. Nach seiner Zeit als Ministerpräsident von Hessen hat Roland Koch neue Chefsessel ausprobiert. Koch war war Koch von 2011 bis 2014 Vorsitzender des Vorstandes der Bilfinger SE. Seit 2011 war er Vorsitzender des Aufsichtsrates UBS Deutschland AG, heute führt er den Aufsichtsrat der UBS-Europe SE. Zudem ist er Mitglied im Aufsichtsrat der Vodafone Deutschland und Mitglied des Stiftungsrates der Peter-Dussmann-Stiftung.
Friedrich Merz hatte nach seiner gescheiterten politischen Karriere große Pläne, doch daraus wurde zunächst nichts. Inzwischen arbeitet er u.a. auf eigene Rechnung als Anwalt. Zudem kümmerte er sich um den Verkauf der WestLB, die nach dem Banken-Crash 2008 in der finanziellen Versenkung verschwand. Hinzu kommen Aktivitäten bei AXA, BASF, Commerzbank, Deutsche Börse u. a. Merz wird 2016 Aufsichtsratschef beim deutschen Ableger des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock. Er soll dort auch als Lobbyist für die Beziehungspflege zu Regulierern, also der Politik fungieren.
Walter Riester erfand als Arbeitsminister im ersten Kabinett unter Gerhard Schröder die nach ihm benannte Rente – die außer ihm wohl nur weniger verstanden haben. Jetzt reist er durch das Land und verdient sich mit Vorträgen über die Riester-Rente eine „Kleinigkeit“ dazu. Der gelernte Fliesenleger war neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter auch als Referent bei verschiedensten Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche in Erscheinung getreten. Zum Beispiel als Aufsichtsratsmitglied von ArcelorMittal Bremen. Zum 1. Oktober 2009 wurde Walter Riester Aufsichtsrat des Finanzdienstleisters Union Asset Management Holding und die geschäftlichen Verbindungen Riesters zum Finanzdienstleister AWD kritisierte Transparency International als „Beispiel für politische Korruption“.
Der frühere Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler gab seine Position in der Geschäftsführung des Genfer Weltwirtschaftsforums (WEF) kurzfristig auf, welche allein schon sehr fragwürdig war und ihm die Tore zur globalen Industrie geöffnet hat. Vom 1. Dezember 2017 an steht der frühere FDP-Politiker in Diensten des umstrittenen chinesischen Mischkonzerns HNA. Der 44 Jahre alte Rösler wird Chef einer Stiftung namens Hainan Cihang Charity Foundation, die HNA in New York installiert hat. Diese Stiftung besitzt knapp 30 Prozent der HNA-Gruppe, die in den vergangenen Jahren durch ihre aggressive Expansionsstrategie außerhalb Chinas aufgefallen ist. Nach Angaben von Bloomberg hält der Konzern Anteile im Gesamtwert von 180 Milliarden Dollar.
Der Spiegel schreibst: „Keiner hat es wie Gerhard Schröder verstanden, auf vielen Bühnen präsent zu bleiben. Er ist der beste, umstrittenste, reichste, interessanteste Altkanzler, den die Republik noch hat..[…]“. Inzwischen wurde Schröder in den Aufsichtsrat des russischen Konzerns Rosneft berufen. Die halbstaatliche Ölfirma steht allerdings auf der Sanktionsliste der EU. Schon während seiner Amtszeit als Bundeskanzler stellte der Hannoveraner die Weichen, um nach seiner politischen Karriere die Vorzüge der Wirtschaft genießen zu können.
Ex-Bundespräsident Christian Wulff hat in China eine neue Aufgabe gefunden – als Chef der Nichtregierungsorganisation Global Alliance of SMEs (Gasme). Wulff gilt als einer der umstrittensten Politiker, da er sich selbst in finanzielle Belange verstrickte. Die seit 2009 von der Lobbyorganisation US-China Exchange Association in den USA gegründete Organisation setzt sich offiziell für mittelständische Unternehmen weltweit ein. Wie die „Wirtschaftswoche“ berichtet, betreibt die Organisation aber vor allem Wirtschaftsförderung für chinesische Firmen. Wulff selbst gibt inzwischen an, dass er zu Interviews zu einem Kostenpunkt von 45.000 bis 65.000 Euro, plus Hotel und Flug bereit ist. Hintergrund: Er ist DER ehemalige Bundespräsident, der auf 18.000 € Gehalt pro Monat und 6.500€ Personalkosten ausdrücklich NICHT verzichtet hat, obwohl sein Amt bundesweit zur Diskussion führte.
Pingback: [blogtalents] Ich weiß was Du tust…oder mein Vertrauen in die Politik