Kommentar- Italien ist am schwersten von den afrikanischen Flüchtlingsströmen betroffen, die Insel Lampedusa ist Anlaufpunkt Nummer 1. Die Menschen, die keinen anderen Ausweg mehr wissen, den unbeschreiblichen Zuständen in ihrem Heimatland zu entfliehen, nehmen unglaubliche Strapazen dafür in Kauf. Überfüllte Boote überqueren das Mittelmeer, mit dem Ziel, endlich dem Hunger, der Not und dem Krieg zu entfliehen. Viele von ihnen haben ihr Leben gelassen und viel Geld an die Schleuser gezahlt, um einen sicheren Hafen in Freiheit zu erreichen.
Aber auch auf italienischer Seite erwartet sie kein Frieden, denn die Kapazitäten der Insel sind längst überschritten. Eingepfercht in Auffanglager werden sie selektiert nach Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen und nur notdürftig versorgt. Berlusconis Regierung rief die europäischen Partner zur Unterstützung auf, stieß dabei aber auf Gegenwehr. Um sich dem Problem zu stellen, beschloss Italien, den Flüchtlingen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung auszustellen, damit sich die betroffenen im Land frei bewegen können. Ein kluger Schachzug, denn damit steht ihnen der Weg frei, sich nicht nur in Italien, sondern nach geltendem Recht auch innerhalb der europäischen Union frei zu bewegen.
Für viele der Flüchtlinge sind Frankreich, Benelux und Deutschland das endgültige Ziel der Flucht. Aber kaum beschlossen, wird die ablehnende Haltung der Partnerstaaten deutlich. Auch die CDU- Politikerin Hasselfeldt macht ihren Unmut gegen die Entscheidung Berlusconis deutlich und wirft Italien Missbrauch der EU-Regeln vor. Allerdings geht es hier nicht um wirtschaftliche Unterstützung, wie bei Portugal oder Griechenland, sondern um Menschen, die Hilfe in ihrer größten Not benötigen. Erinnern wir uns an den Balkan- Krieg, denn dort hatten die europäischen Bündnispartner Menschen Hilfe zugesichert und Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Auch in Deutschalnd leben noch heute fest integriert Menschen aus dem ehemaligen albanisch- serbischen Kriegsgebieten. Handelte es sich dabei um eine europäische Selbstverständlichkeit, Serben, Kosovaren oder Albanern Hilfe zu zu sagen?
Werden jetzt ethnische Unterschiede gemacht? Die Aufstände in den nordafrikanischen Staaten wurden zuerst euphorisch begrüßt, bis sich die Lage in den einzelnen Ländern zuspitzte. Fragen wurden aufgeworfen, vor allem wie sich die wirtschaftlichen Beziehungen weiterhin gestalten lassen. Aber noch einmal, es geht hierbei nicht um wirtschaftliche oder politische Interessen, sondern um humanitäre Hilfe, bei der Italien allein gelassen wird. In Deutschland stehen ehemalige Kasernenanlagen leer, verrotten vor sich hin und warten auf einen Käufer, den es auch in den kommenden Jahren nicht geben wird. Übergangslösungen könnten getroffen, beschränkte Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt werden. Politisch distanziert man sich lieber von diesen Entscheidungen, spiegelt es doch eher die Uneinigkeit innerhalb der politischen Landschaft in Deutschland wieder. Italien zeigt sich enttäuscht, zu Recht sage ich, denn es ist wie in einer Freundschaft. Wird einmal echte Hilfe nötig, wird plötzlich Freundschaft neu definiert. (eh)