Der Krieg in Syrien dauert nicht etwa erst ein paar Monate an, er ist schon seit zwei Jahren in vollem Gange. Der Beginn des Bürgerkrieges waren Proteste in Damaskus, die sehr schnell als ein weiteres Aufbegehren im arabischen Frühling gesehen wurde. Vielerorts wurde es nur blumig kommentiert, doch die Lage in Syrien eskalierte. Oppositionelle Gruppen formierten sich, um gemeinsam gegen das Regime von Bashar al Assad vorzugehen. Doch der hielt mit Hilfe seiner Armee an seiner Macht fest und ließ Panzer, Artillerie und die Luftwaffe gegen den meuternden Mob aufrüsten. Doch was geschah seither in diesem Land und welche Auswirkungen hat dieser nicht enden wollende Krieg auf die Nachbarstaaten, auf die Beziehung zwischen Ost und West? Welche Rolle nimmt inzwischen die Bundesregierung ein und was hat den Westen bislang daran gehindert, einzuschreiten? Warum ließ man mit abgewandtem Blick tausende Menschen flüchten, ohne ihnen unmittelbar zu helfen? Und die jüngste Frage hat die Welt erschüttert- wer hat das Giftgas verschossen?
Fragen, die sich nicht so schnell und einfach beantworten lassen, denn inzwischen ist der Konflikt weitaus komplizierter, als bislang angenommen. Schon lange gibt es keine klaren Linien in diesem Krieg und das macht es so unfassbar schwer. Inzwischen kämpfen kurdische Rebellen, islamistische Gruppen, Ableger von Al Kaida, die freie syrische Armee und die Assad- treuen Truppen im Land gegeneinander. Letztere wollen die Macht des Despoten Assad erhalten, die Rebellen kämpfen gegen Assad, um sich von der Diktatur zu befreien und alle anderen? Sie kämpfen, um sich im Kampf gegen Assad ein Stück vom Kuchen zu sichern. Sie wollen ihre eigenen Interessen durchsetzen, ohne Rücksicht auf das, was danach kommen wird. Glaube vor Freiheit und Demokratie? Ähnlich ist es bei den Kurden, die jetzt die Chance haben, sich ihr eigenes autonomes Gebiet zu schaffen. Aber in diesem Krieg dürfen Gruppen wie die Muslimbrüder, die Hisbollah und auch die Salafisten nicht vergessen werden, die sich einen Weg im Kampf mit oder gegen Assads Truppen gesucht haben. Die einen werden aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Iran oder aus Pakistan finanziert und mit Waffen unterstützt und der Westen berät sich ergebnislos, wie man am besten die „wirklichen“ Rebellen unterstützen kann. Denn diese haben inzwischen keinerlei Mittel mehr zur Verfügung, um sich im Kampf erfolgreich zu rüsten. Terroristische Gruppen ziehen immer mehr Menschen im Land in ihren Bann, denn sie können nicht nur Waffen, sondern auch für Nahrung sorgen.
Wer ist denn nun eigentlich auf wessen Seite? Wer hat welche Interessen und würden die genügen, um sich in diesen Krieg aktiv einzumischen? Russland ist neben dem Iran der größte Verbündete Syriens. Alte Verbindungen noch aus Zeiten des kalten Krieges haben bis heute Bestand. Zudem ist Syrien die letzte Bastion Russlands im arabischen Raum, mit einem strategisch wichtigen Zugang zum Mittelmeer. Das Nachbarland Türkei ließ die Bundeswehr auffahren, um sich mit dem Raketenabwehrsystem PATRIOT an der syrischen Grenze schützen zu lassen. Vielleicht eher nur ein Vorwand, denn die Granatangriffe auf türkischen Boden konnten bis heute nicht eindeutig zugewiesen werden. Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, ob es sich um einen gezielten Angriff von Assads Truppen handelt. Die Türkei hat kein echtes Interesse daran, dass die Kurden ihren Einfluss immer weiter ausbauen und diesen dann ggf. auch auf die Türkei übertragen könnten.
Israel wiederum kann sich gelassen die Hände reiben. Denn so lange im Nachbarland Krieg und Unruhe herrscht, hat Assad keinen Einfluss auf die palästinensischen Interessen in Israel. Ein Zweifrontenkrieg ist daher vollkommen ausgeschlossen und so hat die israelische Luftwaffe erfolgreich Luftangriffe auf syrischen und inzwischen sogar auf libanesisches Hoheitsgebiet geflogen. Die Rechtfertigung lag lediglich darin, militärischen Nachschub der Hisbollah unterbinden zu wollen. Völkerrechtlich nicht nur bedenklich, sondern im höchsten Maße ein Angriff auf einen souveränen Staat. Jetzt, seit Beginn dieser Woche hat sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich zum Krieg in Syrien geäußert. So, als wolle er sich mit großem Engagement für die leidende Bevölkerung Syriens einsetzen und der Willkür des Despoten Assad ein Ende setzen. Doch schauen wir noch einmal kurz ins Jahr 2012 zurück. Die USA und Israel haben gemeinsam die bislang größte militärische Übung in Israel durchgeführt. Es liegt also sehr nahe, nicht erst jetzt aktiv über eine militärische Intervention nachgedacht zu haben.
Auch Deutschland steht inzwischen mit am Kartentisch und Angela Merkel und Guido Westerwelle haben den Zeigefinger erhoben und …und gedroht. Phrasen werden jetzt von deutscher Seite publiziert, um der internationalen Gemeinschaft zu signalisieren dass Deutschland auch ganz anders kann– mit ausgestrecktem Zeigefinger. Nach dem außenpolitischen Eklat von Westerwelle beim Einsatz in Libyen muss jetzt dringen Stärke gezeigt werden, um nicht vollkommen das Gesicht zu verlieren. Amerika rüstet sich, Obama lässt da nicht mit sich diskutieren. Auch wenn inzwischen mehr als 60% der amerikanischen Bevölkerung gegen eine Intervention sind, lässt er für eine schnelle und saubere Lösung auffahren. Schnell rein und schnell raus, so seine Intention. Aber sitzt Putin seelenruhig im Kreml und schaut sich das Spektakel auf CNN an, oder welche Verhandlungen sind diesbezüglich geführt worden? Die politischen Beziehungen zwischen dem Kreml und Washington sind nach wie vor kälter denn je und eine Annäherung ist im Bezug auf Syrien nicht zu erwarten. Daher sind auch dem UN- Sicherheitsrat immer noch die Hände gebunden– Russland und China haben sich immer wieder gemeinsam gegen ein Mandat ausgesprochen. Sollte Amerika tatsächlich militärisch einschreiten, wie geplant mit kurzen Luftangriffen auf strategisch wichtige Punkte, dann ist der Krieg nicht automatisch beendet. Wird sich Israel im gleichen Atemzug daran beteiligen, um im Libanon Angriffe zu fliegen und die Golanhöhen militärisch zu sichern? Syriens Zukunft und somit die der Bevölkerung steht auf dem Spiel. Niemand kann die Folgen abschätzen und erst recht nicht von einem Erfolg des bevorstehenden Einsatzes sprechen. Zu viele Fragen sind offen, die hätten viel früher geklärt werden müssen. Zu lange hat die internationale Staatengemeinschaft die Augen verschlossen und die Menschen sich selbst überlassen. Da hilft es dann auch nicht mehr, den Zeigefinger drohend zu erheben oder Raketen und Bomben abzuwerfen.