Die Diskussionen über das Vorgehen der NSA (National Security Agency) national sowie international sind lange nicht vom Tisch. Auch die Bundesregierung muss sich unliebsamen Fragen stellen, denn inwiefern darf ein anderer Staat in die Persönlichkeitsrechte und in die Privatsphäre von Bundesbürger eingreifen. Rechtfertigung für dieses unüberschaubare Handeln sei die Abwehr terroristischer Aktivitäten. Der nachfolgende Text wurde aus dem Original ins Deutsche übersetzt. Autor: Matthias Schwartz
Präsident Obama verbrachte nur kurze Zeit in der State of the Union mit Gesprächen über die National Security Agency und den damit verbundenen Bürgerrechten. Erst ein Jahr zuvor hatte er das „Ende“ der Section 215, dem umstrittensten Überwachungsprogramm der NSA versprochen. In seiner Rede am vergangenen Dienstag sagte er fast nichts Konkretes, abgesehen von der Erwähnung, einen anstehenden Bericht darüber zu veröffentlichen, wie er das Versprechen einlösen will, „die USA sicher zu halten, bei gleichzeitiger Stärkung der Privatsphäre. „
Edward Snowden zeigte im Sommer 2013 das Ausmaß der Tätigkeit der NSA. Es gab eine Reihe von offiziellen Berichten über die schwierigen Beziehungen zwischen Überwachung und Privatsphäre. Im August 2013 verlor derDirector of National Intelligenceseinen Posten. Während seiner Amtszeit wurden eine Unmenge an Informationen gesammelt, einschließlich redigierter Bestellungen aus dem geheimen Foreign Intelligence Surveillance Court – FISA(Gericht der Vereinigten Staaten betreffend die Überwachung der Auslandsgeheimdienste). Die Regierung hatte daraufhin versucht, einige Schritte in Richtung Transparenz im Bezug auf ihre Überwachungsprogramme zu unternehmen und einige substanzielle Reformen in Kraft gesetzt. Die NSAdarf auf Grundlage des § 215, einem Teil des Patriot Act („Gesetz zur Stärkung und Einigung US-Amerikas durch Bereitstellung geeigneter Instrumente, um Terrorismus aufzuhalten und zu blockieren“) auf die Metadaten mehrerer Hundert Milliarden US-Anrufe zugreifen und sie sammeln.
Obama sprach bislang lediglich über das „Verschieben der Daten an gewisse Dritte“. Der Kongress hat inzwischen mehr ernsthafte Reformen gefordert, einschließlich einem unabhängigen Anwalt, der die Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre vor einem Gericht vertreten soll. Als die wichtigste Reform Obamas gilt die Verringerung des Umfangs der Metadatensuche. Es gäbe keinen Grund zu der Annahme, dass der § 215 dazu verhilft, potentielle Terroristen, wie die Beteiligten an den Anschlägen in Paris vor zwei Wochen aufzuspüren. Zudem kommen Ermittler zu dem Schluss, dass der Verbrauch von Ressourcen und durch die Nutzung von Fremdleitungen kein höherer Erfolg erkennbar sei. Die Gegner der NSA- Reform behaupten allerdings weiterhin, dass der § 215 in der Lage sei die Gewalt durch Terroristen zu stoppen. In der vergangenen Woche behauptete John Boehner, Abgeordneter des Repräsentantenhauses und Republikaner in Ohio, dass durch Telefonaufzeichnungen gesammelte Informationen dazu verholfen haben, einen Anschlag vor dem US-Kapitol zu verhindern. Der Guardian berichtete hingegen, dass das FBI angedeutet habe, diese geheimen Informationen stünden von Informanten aus der Regierung.
„Das erste, was mir dabei auffällt, dass nie offen darüber gesprochen wird, wie das FISA-Programm (Aufzeichnungen des Geheimdienstkontrollgerichts FISA- Kontrolle der staatlichen Geheimdienste, die systematisch gerichtliche Anordnungen verletzen) arbeitet, um die illegale Bespitzelung von Amerikanern, von denen eine unmittelbare Bedrohung ausgehen soll, durchzuführen“, sagte Boehner Politico. Wenn Obama vor dem Kongress über die NSA-Reform spricht, sind es meistens nur Reden über den § 215, nicht aber darüber, welche anderen eingestuften Überwachungsprogramme es gibt.
Bei der Beantwortung dieser Frage wurde klar, dass auch die D.E.A (Drug Enforcement Administration) eine Datenbank mit Anrufen von US-Telefonnummern, von und nach Übersee, führt. Angeblich unter dem Vorwand, um mutmaßlich relevante Metadaten zu verwenden, die im Zusammenhang mit dem Drogenhandel stehen, nicht aber für Ermittlungen der Anti-Terror-Einheiten. Trotz des offensichtlichen Mangels an Verbindungen zum Terrorismus, die für die D.E.A erforderlich wären, wird die Datenbank schon für einen „angemessen Verdacht“ genutzt. Dies zeige eine geringer Qualität der Beweise als häufigste Ursache bei der Terrorismusbekämpfung und der damit verbundenen Spionageabwehr-Programme.
Gemäß der D.E.A. wurde das Programm schon im September 2013 aufgegeben und alle relevanten Informationen in der Datenbank gelöscht, so ein Sprecher der Times gegenüber. Sollte Präsident Obama und der Kongress tatsächlich zu schweren Überwachungsreformen durchgreifen, würden ihnen eine harte Zeit bevorstehen. Die Grenzen für Überwachung wurden wurden noch in einem Zeitalter festgeschrieben, als der Fernmeldeverkehr noch analog überwacht wurde. Die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Daten beruht auf einem Gerichtsfall von 1979. Die Polizei benötigte damals keinen Haftbefehl, um die Telefonnummern im Festnetz eines Verdächtigen zu überwachen. Er wusste nichts über Standortbestimmungen, musterbasierte Analysen oder von dem Speichern von Telefonaufzeichnungen. Die Diskrepanz zwischen den alten Richtlinien und der neuen Technologie steht außer Frage, sollte es doch der § 215 erleichtern. Im Oktober letzten Jahres schlug Senator Patrick Leahy vor, der NSA mit einem unabhängigen Anwalt der FISA weitere rechtliche Befugnisse zuzusprechen, bei der allerdings ein Aufsichtsgremium die strengeren gesetzlichen Normen beider Telefonüberwachung kontrollieren soll. Es bleibt also weiterhin unklar, ob die Rechnung der Republikaner aufgeht, oder sollte der Kongress die Section 215 Reform vor Juni verweigern oder sie nicht verlängern. Am Ende der Debatte müssen sich vielleicht sogar die Gerichte mit der Beilegung der NSA-Debatte befassen, um eine abschließende Entscheidung zu fällen.
Der Foreign Intelligence Surveillance Court (FISA)- nach dem Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978, durch den er geschaffen wurde, “FISC” oder “FISA Gericht” genannt – ist eine Schattenbehörde der US- Regierung. Sie wurde inzwischen zu einem sehr wichtigen Mechanismus für die Untergrabung der verfassungsmäßigen Rechte ausgebaut. Im Rahmen der letzten Änderungen des Gesetzes von 1978 gibt das FISA Gericht vor, “Genehmigungen” für komplette Spionageprogramme der Regierung zu erteilen. Das FISA Gericht ist nur dem Namen nach ein “Gericht”. Es tagt nie öffentlich, wobei “Richter” in einem “Gerichtssaal“ den Vorsitz führen, in dem nur die Seite der Regierung vertreten ist. Für betroffene Personen oder Personengruppen sind in diesem Gremium keine Rechte bzw. Rechtsvertretungen vorgesehen, ebenso wenig sie über die gefällten Urteile zu benachrichtigen.
Alle Aufzeichnungen des Gerichts sind Geheimsache der US-Regierung. Und für den Fall, dass eine Person aus irgendeinem Grund etwas über eines der Gerichtsurteile erfährt, kann ein Schweigeerlass herausgegeben werden, der dieser Person die Offenlegung dieser Informationen an Dritte verbietet. Das Gericht stützt seine Entscheidungen auf geheime Gesetze und geheime Interpretationen der Verfassung. Es gibt kein Recht auf einen Anwalt, keine Jury, keine Gerichtsverhandlung und keine Berufung. Der völlig illegitime und anti-demokratische Charakter dieser Einrichtung spiegelt sich in den FISA-Aufzeichnungen wieder, die letzte Woche veröffentlicht wurden.
(Titelfoto: Bernd Wachtmeister / pixelio.de)