Wer hat ihn nicht mehr im Kopf, Karl Theodor zu Guttenberg. Verteidigungs- und Bundeswehrreform- Minister. Mit seinem Abgang wurde die Reform der Reform innerhalb der Truppe eingeläutet, die schon Jahre zuvor in der Schublade der SPD schlummerte. Sie hätte nach meiner Ansicht nie umgesetzt werden dürfen, denn aus wirtschaftlichen Aspekten ist sie mit dem aktuellen Wert des Wehretats nicht realisierbar. Dies spürt nun auch Ursula von der Leyen, die es schon mit ihrem Start ins neue Amt als Verteidigungsministerin nicht leicht hatte. Erschwerend kommt hinzu, dass sie einen General- und Beraterstab um sich hat, der aus engen Vertrauten um General Markus Kneip besteht. Keine gute Kombination, wenn sich Herren mit Gold im Eichenlaub über die Dinge stellen und nur auf sich und die eigene Karriere bedacht sind.
Aber blenden wir noch einmal zurück. Zurück in die Zeit, in der 1994 der Somalia-Einsatz zum ersten Mal die Beteiligung der Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv auf das Tablett der UN rief. General Klaus Naumann, damals Generalinspekteur der Bundeswehr befürwortete den Einsatz der Truppe in Afrika, gemäß der Neuausrichtung der Bundeswehr. Es war der erste echte und zugleich humanitäre Einsatz der Bundeswehr- elementar im wiedervereinigten Deutschland, nach dem Kalten Krieg. Die Gesamtkosten des Einsatzes betrugen damals etwa 310 Millionen DM (163,6 Millionen Euro) von denen rund 70 Millionen DM (35,8 Millionen Euro) durch die Vereinten Nationen erstattet wurden. Der Einsatz des Deutschen Unterstützungsverbandes hat den Stellenwert der Bundeswehr und des wiedervereinigten Deutschland in der Weltpolitik grundlegend verändert. Die Bundeswehr sammelte bei diesem Einsatz erstmals Erfahrungen in einem Auslandseinsatz. Im „German UN Training Centre“ in der Infanterieschule Hammelburg wurde seit 1993 ein Stab für zentrale Ausbildungsangelegenheiten mit drei Teilbereichen aufgebaut. Nach diesem ersten Einsatz hat der Bericht des Wehrbeauftragten gezeigt, „dass für die Motivation der Soldaten die Einheitlichkeit von Fürsorge und Betreuung erhöhte Bedeutung hat. Sie sind vor einem derartigen Einsatz umfassend und zeitgerecht über die soziale Absicherung, insbesondere über die finanzielle Abfindung, zu informieren.“
Es dauerte nicht lange und die beteiligten Soldaten in Afrika waren zum Teil noch traumatisiert von den Eindrücken, von dem Elend und Leid der somalischen Bevölkerung- es geht in den Kosovo. Im April 1993 begann offiziell der Einsatz auf dem Balkan und ab Ende Januar 1996 stellte die Bundeswehr offiziell unter der Führung von Generalleutnant Friedrich Riechmann das erste Hauptkontingent für GECONIFOR (L) mit rund 2.600 Soldaten. Diese Beteiligung kam nicht überraschend, dennoch mit weitreichenden Folgen in den Bataillonen und Regimentern in der Heimat. Innerhalb der 10. PzDiv (Panzerdivision) in Sigmaringen wurden Fahrzeuge für den Einsatz auf dem Balkan abgerufen, die den Tagesdienst extrem einschränkten. So wurden diverse taktische Kfz in Kategorien eingeteilt (A bis C), wobei A einsatztauglich bedeutete. Diese Kfz mussten gemäß Befehl abgegeben werden und in den einzelnen Kompanien verblieben Fahrzeuge und Geräte, die für den Einsatz untauglich waren. Die Materialbeschaffung für die Instandsetzung wurde immer durch den technischen Offizier des Bataillons bzw. Regimentes blockiert, so dass lediglich die Einsatzverbände mit Vorrang bedient wurden.
Mit dem 11. September verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Bundeswehr zunehmend, denn mit der Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001 gingen auch deutsche Soldaten nach Afghanistan: „Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“, sagte am 11. März 2004 der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck. Völlig unerwartet rückte die Truppe zunächst in Kabul ein, in grünem Flecktarn, ohne zu wissen was sie an diesem Ort der Erde eigentlich zu verteidigen haben. Seit 1997 hat die Bundeswehr sukzessive das Gewehr G3 durch das G36 (Heckler] Koch; Kaliber 5×56 Nato Standart Munition) abgelöst. Ausbildungsdefizite mussten schnellstmöglich ausgeglichen werden, denn ein Einsatz wie in Afghanistan war vollkommen neu. Hier herrschten von Beginn an kulturelle, materielle und intellektuelle Defizite, die im Verlauf der kommenden zehn Jahre des Einsatzes immer wieder zu extremen Szenarien führte. Sei es der Anschlag auf den ungeschützten Bus in Kabul, der am 07. Juni 2003 durch einen Selbstmordattentäter vier Tote und 29 verletzte Bundeswehrsoldaten hervorrief. Nach internen Ermittlungen war der militärischen Führung bekannt, dass an diesem Tag ein Anschlag auf die heimkehrenden Soldaten verübt werden sollte- jedoch, wie so oft ignoriert.
Der Einsatz in Afghanistan hat der Truppe all ihre Reserven aufgebraucht, sowohl materiell, als auch personell. Der Mangel an Material wurde durch den geschiedenen Verteidigungsminister zu Guttenberg immer wieder zu eigenen Zwecken missbraucht, unnötiges Material an den Hindukush verladen- geändert hatte sich kaum etwas. Personell gingen vor allem Spezialisten an den Rand des möglichen. Personenschützer der Feldjäger, Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes (EOD), Sanitäter, Scharfschützen, Infanterie und Sicherung, sowie die Nachrichtenaufklärung wurden um ein Vielfaches mehr belastet, als es im Bundestag bekannt war. Diese Mehrbelastung führte nicht nur zu persönlichen Krisen wie Ehescheidungen etc., sondern auch zu schweren psychosomatischen Schädigungen der Soldaten, die bis heute um ihre Anerkennung kämpfen.
Materiell war der Einsatz ebenso ein Desaster, wie die Einsätze zuvor. Hierbei wurde allerdings nur das Einsatzszenario des Heeres beschrieben, nicht aber das der Marine oder der Luftwaffe. Seit 2008 patrouilliert die Bundesmarine im Rahmen der Resolution 1816 des UN-Sicherheitsrates den Schutz des Schiffsverkehrs vor der somalischen Küste. Hier sind Einsatzverbände aus U-Booten, Fregatten und Versorgerschiffen involviert. Doch die Einsatzflottille in Wilhelmshaven kämpft schon seit vielen Jahren gegen die wirtschaftlichen Missstände an. Das Fregattengeschwarder teilt sich inzwischen in drei unterschiedliche Klassen auf und das nicht ohne Folgen. Denn wenn vor allem die alten Schiffe der 122-Klasse in den Einsatz berufen wurden, mussten Schiffe im Heimathafen diverses Material ausbauen, um die Einsatzschiffe seeklar zu machen. Nachschub gab es keinen und somit waren die Schiffe im Heimathafen Wilhelmshafen zumeist einsatzuntauglich.
Dies sollen nur exemplarische Beispiele sein, die mir aktive und ehemalige Soldaten bestätigen können. Viel zu lange wurde an der Truppe experimentiert, stellt der Dienstposten des Verteidigungsministers ein Abschiebeposten dar. Ministerin von der Leyen wird sicherlich keine großen politischen Sprünge mehr vollziehen, doch bleibt die Frage offen- Was wird aus der Truppe? Ihr mehr als lächerlich klingendes Attraktivitätsprogramm mit TV und W-Lan auf den Unterkünften ist nicht zielführend, auch nicht das angestrebte Beförderungs- und Lohnprogramm. Ihre finanziellen Möglichkeiten sind unlängst erschöpft, will sie die Truppe auch nur ansatzweise am Leben erhalten. Alte und bestehende Verträge mit der Rüstungsindustrie müssen erfüllt werden, wenn auch nur einseitig. Lieferschwierigkeiten der Industrie schließen ja nicht die Zahlungsverpflichtung der Ministerin aus und so dreht sich der Brummkreisel Tag für Tag weiter. Soldaten, die eine Familie gründen möchten, ihre Heimat suchen und planbare Sicherheit möchten, werden auch in Zukunft von Reform zu Reform springen, denn ihr Eid gilt der Bundesrepublik Deutschland, der Fahne und dem Volk. Der Truppe bleibt zu wünschen, dass sie endlich jemanden bekommt, der sie versteht und nicht als Sprungbrett missbraucht.