Kommentar– Muammar al-Gaddafi, der einsame Wüstenkönig ist seit dem 18.März 2011 am Ende seiner Kräfte? Vermuten lässt sich aber auch ein gekonnter Schachzug, um dem Gegner ein Schach-Matt vorzutäuschen. Undurchsichtig, fast schon schizophren scheint dieser 69-jährige Mann zu sein, der seit mehr als 30 Jahren das Zeptar als „König der Könige von Afrika“ in Libyen hält. Immer wieder versuchte dieser Mann verzweifelt die Unruhen verbal zu brechen, ergebnislos.
Es schien unvermeidbar zu sein, dass er zu den Waffen greifen ließ. Zu Beginn der Unruhen wurde internationale Zurückhaltung dem bislang treuen wirtschaftlichen Partner Europas zu Teil, auch wenn über Maßnahmen gegen Gaddafis Handeln diskutiert worden ist. Allerdings wurden in den vergangenen Wochen die Kämpfe zwischen den Anhängern Gaddafis und den Revolutionären immer härter und die Zahl der Toten nahm auf Seiten der Gaddafi-Gegner immer mehr zu. Was als friedliche Revolte gegen einen maßlosen Herrscher begann, entwickelte sich zu einem Krieg. Einem Krieg, der unerwartet, aber mit voller Wucht auf beide Seiten einprallte. Jedoch hatte sich das der „König von Afrika“ anders vorgestellt, sollte es doch schnell und radikal zugehen. Die Revolutionäre besitzen allerdings eine ganz wesentliche „Waffe“, sie kämpfen mit dem Herzen, ohne militärische Kenntnisse, mit Mitteln, die einen Verlust vorhersehen lassen würden. Im Gegenzug dazu werden Luftangriffe geführt, von regierungstreuen Truppen, ausgebildet und bestens bewaffnet.
Inzwischen wird der Kampf auch um Bengasi geführt, der zweitgrößten Stadt neben Tripolis, dem wirtschaftlich- politischen Zentrum des Herrschers. Saif al-Islam, der Sohn Gaddafis, hatte der internationalen Presse gegenüber angekündigt, die Kämpfe der Aufständischen würden binnen 48 Stunden niedergeschlagen werden, nur konnte er sein „Versprechen“ nicht einhalten. Die Stadt Bengasi gilt als eine der Rebellenhochburgen und ist daher von besonderem Interesse für Gaddafi. Nicht nur das sich dort in dieser Region viele Aufständische befinden, werden dort auch Waffenlager vermutet, was Gaddafi dazu drängt, dieses Gebiet zurück zu gewinnen. Dieser scheinbar ungleiche Kampf zwischen Soldaten und Idealisten wurde allerdings abrupt gestoppt. Der UN-Sicherheitsrat debattierte in den vergangenen Tagen nicht nur über ein Flugverbot über Libyen, versuchte doch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy eine direkte militärische Intervention durchzusetzen.
Wie sich zeigte, ohne Erfolg, denn vor allem Deutschland distanzierte sich von diesem Vorhaben. In keiner Weise sind die Folgen absehbar, so der Außenminister Guido Westerwelle. Liegt es an der wirtschaftlichen Abhängigkeit, oder an der personalschwachen Bundeswehr? Hatte Westerwelle noch vor Wochen härtere Sanktionen im UN-Sicherheitsrat gefordert, so entzog sich Deutschland der Stimmenabgabe und blieb neutral, sagte aber am 18.März 2011 in Berlin bei einer Regierungserklärung: “Er verstehe diejenigen, die sich aus ehrenwerten Motiven für ein internationales militärisches Eingreifen in Libyen entschieden haben“. Werden noch in den kommenden Nächten Bomben fallen, sollte Gaddafi seine Entscheidung für eine Waffenruhe ändern? Die NATO rüstet sich inzwischen für einen Einsatz in Nordafrika, um die Forderungen des UN-Sicherheitsrates durchzusetzen. Aber sicher kann sich bislang niemand sein, ob die Waffenruhe eingehalten wird und der Diktator nicht insgeheim neue Pläne schmiedet, um seinen Hals noch rechtzeitig aus der Schlinge ziehen zu können. (eh)