Beirut/ Tel Aviv. In den vergangenen Tagen führten Ereignisse zu neuen Spannungen im Libanon und in Israel. In Beirut führte der Rückzug schiitischer Vertreter der Hisbollah aus dem Parlament zur Handlungsunfähigkeit der Regierung. Sie setzt damit den Sohn des 2005 in Beirut durch ein Attentat ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Saad al-Hariri unter Druck. Sie fordern die Einstellung der Ermittlungen durch das UN-Tribunal in Den Haag, denn es wird nach wie vor im Fall der Ermordung von Rafik al-Hariri und 22 weiteren Personen ermittelt.
Zunächst führten die Spuren die Ermittler in die Hauptstadt Syriens, verliefen sich aber in Damaskus. Ebenso unbestätigt sind die Vermutungen, der israelische Geheimdienst Mossad hätte die Fäden in dem Anschlag in den Händen gehabt. Dem „Spiegel“ zufolge führen die Spuren in den Süden des Libanon. Die pro-iranische Hisbollah hätte in diesem Fall einen wesentlichen Beitrag zur Ermordung Hariris 2005 geleistet und war am Kauf des am Attentat beteiligten Kleinlastwagens involviert. Die Begründung des Rücktritts der zehn Parlamentsmitglieder liegt darin, Saad al-Hariri zu zwingen, die Ermittlungen des UN-Tribunals einstellen zu lassen. Der Sohn des ermordeten ging bisher auf keine Forderung ein und steht persönlich und politisch stark unter Druck.
Die politische Spannung überträgt sich derzeit auch auf die Bevölkerung, denn die Hisbollah hat vor allem im Süden des Landes einen sehr großen Einfluss. Eine handlungsunfähige Regierung könnte im friedlichen Libanon zu neuen Anschlägen führen und einen erneuten Konflikt zu Israel hervorrufen. Aber auch auf der Seite Israel wird alles dafür getan, um Unmut und Konfliktpotential herbeizurufen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiß sich politisch in Szene zu setzen. Entgegen der internationalen Forderungen, seine Siedlungspolitik im Westjordanland zu ändern, weist er die Schuld am Scheitern der Friedensverhandlungen den Palästinensern zu. Sie hätten die Verantwortung zu tragen, damit es zur Fortsetzung der Friedensverträge kommt. Die Gründung eines Palästinenserstaates rückt somit immer weiter in die Ferne. Nitanjahu zieht sich beim Siedlungsbau aus der Verantwortung, da es sich nach seiner Ansicht um private Bauvorhaben handelt und eine politische Entscheidung nicht zwingend notwendig wäre.
Meinungen der amerikanischen und deutschen Regierung, sowie aus Brüssel verhallen und prallen am israelischen Ministerpräsidenten ab. In der Süddeutschen Zeitung wird er als „kraftvoll, angriffslustig, clever und charismatisch“ bezeichnet, im „Zenit seiner Macht“ stehend. Er allein gegen den Rest der Welt. Schon in den vergangenen Monaten wurden Handlungen der israelischen Regierung nicht sanktioniert, als zum Beispiel ein türkisches Schiff mit Hilfsgütern beladen vor der Küste Gaza´s von der israelischen Armee beschossen wurde. Ein konkreter Konflikt zwischen Israel und dem Libanon scheint unausweichlich, denn wie sollen Verhandlungen geführt werden, wenn es sich auf der einen Seite um einen uneinsichtigen Politiker und auf der anderen Seite um eine handlungsunfähige Regierung handelt.
Das UN-Mandat im Mittelmeer ist zudem unzureichend ausgestattet, um intervenieren zu können. Die internationale Staatengemeinschaft steht in der Pflicht, schnell und vor allem konkret zu handeln, damit ein Fortführen des Krieges verhindert wird. Bis zum heutigen Tag gibt es kein unterzeichnetes Dokument, in dem der Libanonkrieg 2006 offiziell als beendet gilt. Inzwischen wurden auch israelische Truppen in der Grenzregion zum Libanon in Alarmbereitschaft versetzt, um sich auf Anschläge vorbereiten zu können. (eh)