Eine besondere Form der Berichterstattung aus einem Krisen- oder Kriegsgebiet ist das embedding. Erstmals mit dem Krieg in Vietnam, in den 1960er Jahren, berichteten Journalisten u.a. aus dem Schutz der Soldaten heraus und der Krieg kam nach Hause in die Wohnzimmer. Dies verlief aber eher aus Spontanität, denn bislang war das Berichten aus der Mitte der kämpfenden Truppe heraus für fremde Journalisten unüblich. Darüber hinaus unterlagen die Journalisten noch der Selbstzensur des Zweiten Weltkrieges. Keine Berichterstattung sollte amerikanische Soldaten diskreditieren und somit die Moral der eigenen Truppe schwächen(33). Die zielgerichtete Berichterstattung übernahmen schon im Zweiten Weltkrieg die Propagandaeinheiten, die für die Wochenschau(34) im Kino Filmaufnahmen produzierten. Erst mit dem Irak- Krieg 2003 wurde das embedding als Kommunikationsstrategie der US- Streitkräfte gezielt eingesetzt. Seine zaghaften Anfänge fanden aber schon zwei Jahre zuvor bei den Angriffen auf Afghanistan statt. Nachdem das US- Militär jeglichen Zugang zu den Kriegsschauplätzen unterbanden, wurde die Truppe immer stärker unter Druck gesetzt. Erste Versuche wurden unternommen, Journalisten in Truppenteile zu integrieren, damit diese dann kontrolliert berichten können(35). Die strategische und politische Analyse des Militärs im Anschluss der Berichterstattung zeigte Wirkung, denn im Vergleich zu vorherigen Veröffentlichungen wurde jetzt positiv berichtet. Mit dem Golf- Krieg 2003 verbesserte das Pentagon diese Strategie der Informationspolitik drastisch und fasste dies am 10. Februar 2003 im US- Headquarter in Stuttgart- Vaihingen als Grundregeln für embedded journalists(36) zusammen. Auch die Bundeswehr macht inzwischen davon Gebrauch. Hier dürfen sich unter gewissen Voraussetzungen nur Journalisten im Einsatzführungskommando Potsdam akkreditieren, die eine redaktionelle Festanstellung nachweisen können(37). Die Redaktion wird dann aufgefordert, eine Haftungsfreistellung zu unterzeichnen. In diesem Zusammenhang muss außerdem der Rechercheort, Umfang, Dauer und Medium aufgelistet werden. Vor Ort bei der Truppe ist es dann dem Journalisten nur noch sehr schwer möglich, die Geschichte zu „drehen“, denn die aus Potsdam erteilte Akkreditierung gilt ausschließlich für den genehmigten Umfang und Inhalt der Reise(38).
Zusammenfassend gibt es unterschiedliche Sichtweisen zum embedding. Erfahrene Journalisten weisen daher immer wieder darauf hin, dass man genau abwägen muss, ob diese Arbeitsweise sinnvoll ist(39).
Tabelle 1: Arbeiten als embedded journalist – Pro und Kontra
(Jörg Armbruster(40), Sandra Dietrich(41), Kristina Isabel Schwarte(42))
Pro | Contra |
Es bietet eine Möglichkeit der zahlreichen Recherchemöglichkeiten.(40) | Es besteht die Gefahr, dass sich der Journalist instrumentalisieren lässt.(40) |
Kann ein Weg der Recherche sein, wenn andere Methoden ergebnislos, oder die Gefahren vor Ort zu groß sind. (40) | Der Journalist kann embedded nur so weit recherchieren, wie es das Militär duldet.(40) |
Es ist die einzige Alternative, um über Soldaten im Einsatz berichten zu können.(40) | Bei einem dauerhaften Einsatz embedded besteht die Gefahr, die Objektivität gegenüber dem Militär zu verlieren – Distanzverlust.(41) |
Wenn die Heimatredaktion neben dem eingebetteten Reporter auch weitere Journalisten für die Recherche in das Gebiet entsenden.(40) | Unter Umständen werden Reporter vom Militär abgewiesen, wenn diese von außen versuchen an den Ort des Geschehens zu gelangen.(41) |
Boot- Camps bzw. Sicherheits- und Erste Hilfe Trainings können Leben retten und sensibilisieren.(42) | Ausbildung durch das (US-) Militär kann im Vorfeld schon dazu beitragen, in eine unvorteilhafte Position zu führen.(42) |
Der eingebettete Journalist muss häufig Kontakt zur Heimatredaktion halten – Nutzung der militärischen Infrastruktur.(40) | Es besteht häufig Militärzensur – Texte, Bilder etc. müssen durch den Presseoffizier genehmigt werden. Bei einem Verstoß kann das bis zum Ausschluss führen.(42) |
Der Journalist kann versuchen, seinen Handlungsspielraum zu erweitern.(40) | Selbstzensur führt dazu, dass Journalisten über Vorfälle, die die Soldaten in einem anderen Licht darstellen, nicht mehr so berichten, wie es stattgefunden hat.(41) |
Die eingebetteten Journalisten müssen sich weder um eine Unterkunft, noch um die Verpflegung bemühen.(41) | Der Journalist kann nicht sicher stellen, dass er als embedded auch an die Orte gelangt, die für ihn relevant sind.(41) |
Der Reporter kann unmittelbar vom Ort des Geschehens berichten und ist zudem bei Gefechtshandlungen durch die Soldaten geschützt.(41) | Embedded Journalism führt zu einer sehr einseitigen Berichterstattung. Die Realität verschwindet hinter der Medienrealität.(41) |
Bei der abschließenden Betrachtung muss, so beschreibt es Armbruster selbst, ideologiefrei entschieden werden. Wenn es der Einsatz und die Sicherheitslage erfordert und der Rezipient davon Kenntnis erlangt, ist an der Vorgehensweise nichts verwerflich. Des Weiteren ist der Sicherheitsaspekt in einem Kriegsgebiet nicht ganz unwesentlich und sollte berücksichtigt werden.
33 Vgl. Bilke (2008): S. 43. 34 In Deutschland ab den 1930er Jahren eigens für das Kino einmal wöchentlich produzierte Nachrichtenbeiträge. Ab Kriegsbeginn wurde dann auch direkt von und über die Front berichtet. Die Bundeswehr nutzt ein ähnliches Prinzip der Propaganda mit dem Einsatzkamerateam (EKT), erstmals seit dem Einsatz im Kosovo. 35 Vgl. Bilke (2008): S. 78. 36 Ist in englischer Originalversion in der Anlage als Public Affairs Guidance (PAG) on embedding media […] gekennzeichnet. 37 Diese Auflage bezieht sich nach Aussage des Einsatzführungskommandos nur auf solche Regionen wie Afghanistan, dem Kosovo und überall dort, wo mit der Gefahr für Leib und Leben zu rechnen ist. 38 Vgl. Armbruster (2008): S.112. 39 Vgl. Armbruster (2008):In Löffelholz/ Trippe/ Hoffmann: Krisen und Kriegsberichterstattung. Ein Handbuch: S.113. 40 Vgl. Armbruster (2008): S. 113. 41 Vgl. Dietrich, (2007): S. 92 ff. 42 Vgl. Schwarte (2007): S. 84 ff. (Auszug aus der wissenschaftlichen Arbeit zum Thema „Normative Anforderungen bei der Ausbildung von Journalisten in der Krisen- und Kriegsberichterstattung“ von Enno Heidtmann 2014)