Ungeachtet der andauernden Bundeswehreinsätze wurde die Wehrpflicht ausgesetzt und die Bundeswehr aus der traditionellen Wehrpflichtarmee in eine Freiwilligenarmee umgewandelt. Der 03.Januar 2011 wurde für alle jetzt noch einberufenen Wehrpflichtigen zu einem historischen Datum. Jeder von den noch etwa 12.000 einberufenen jungen Männern wird sich sicherlich in seinem weiteren Leben daran erinnern, einer der zuletzt „eingezogenen“ gewesen zu sein. Welche weitreichenden Konsequenzen wird dieser Schritt der Transformation haben? Sicherlich wird es zu weiteren personellen Veränderungen, wie zum Beispiel beim militärischen Abschirmdienst (MAD) oder den Kreiswehrersatzämtern führen. Es wurde überlegt, den MAD aufzulösen und in den Dienst des Bundesnachrichtendienstes (BND) einzugliedern. Des weiteren sollen 42 von 54 Kreiswehrersatzämtern im Bundesgebiet geschlossen und zentral zusammengeführtwerden.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg lässt derzeit viele dieser Fragen offen, galt doch seine letzte große Amtshandlung vor dem Jahreswechsel der Rüge Bundesaußenminister Westerwelle. Hatte Westerwelle einen Truppenabzug aus Afghanistan ab 2011 angekündigt, wies zu Guttenberg diese Haltung entschieden zurück. „Dieses Datum ist nicht haltbar“ gab er zu verstehen, für den Bundesbürger nicht nachvollziehbar, ebenso sagt er im weiteren Kontext:“…wenn es die Lage zulässt können Truppen abgezogen werden“. Beim näheren Betrachten lässt sich der Verteidigungsminister alle Türen offen, nur keine Zusagen machen bezüglich des Abzuges. Wie definiert sich denn „die Lage“ in Afghanistan? Es ist ein geschickter Feldzug von zu Guttenberg, kann er sich beruhigt zurück lehnen und „die Lage“ in Afghanistan verfolgen. Er wird durch eine vorschnelle Entscheidung nicht zum Nestbeschmutzer und bis zur kommenden Bundestagswahl keine Schwäche und Fehlentscheidungen zugestehen. Guttenberg ist der Minister, der nach derzeitigen Umfragen im Ranking um den beliebtesten Politiker ganz oben auf der Liste steht. Was wird aber aus den Soldatinnen und Soldaten, die ihren Familien wieder einmal nicht mitteilen können, in welche Richtung die Fahne diesmal weht? Was wird sich im Detail für die verbleibenden Berufs- und Zeitsoldaten ändern? Die Bundeswehr tritt in Konkurrenz zu zivilen Unternehmen und den Vollzugsdiensten wie Polizei, Zoll oder Bundespolizei.
Wie wird sich die Qualität der sich in Zukunft bewerbenden Freiwilligen fluktuieren? Befürchtungen von Offizieren in Führungsebenen zufolge, könnte es zu einer Verschiebung kommen und sich das künftige Truppenbild dem der US- Armee ähneln. Das bedeutet, immer mehr Bewerber kommen aus einem sozial schwachen Umfeld, sind schlecht aus- oder vorgebildet und würden sich somit nicht für die militärische Ausbildung in der Offizierslaufbahn eignen. Welche Rolle übernehmen in diesen Fällen die Jobcenter, werden künftig Schulabgänger mit geringerem Bildungsniveau an die Bundeswehr vermittelt? Viele dieser Befürchtungen lassen sich schon aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre begründen, denn auch da gab es schon eine spürbare Verschiebung der Qualifikation bei den freiwilligen Bewerbern. Kompaniechefs sind neben der Materialverantwortlichkeit auch für die personellen Strukturen innerhalb ihres Führungs- und Verantwortungsbereiches verantwortlich. Sie befürchten ihre Aufgaben nicht mehr im vollen Umfang weiterhin so wahrnehmen zu können wie bisher. Sie stehen der übergeordneten Führung, so wie auch den ihnen unterstellten Soldaten gegenüber, bei allen getroffenen Entscheidungen in der Pflicht. Umgekehrt können sie ihren Soldaten zur Zeit keine befriedigende Aussage machen, hüllt sich doch das Verteidigungsministerium in Schweigen. Bei weiteren dauerhaften Einsatzszenarien müsse generell umgedacht werden.
Das Aussetzen der Wehrpflicht wurde von der obersten militärischen Führungsebene als Erfolg beim Aufbau einer qualifizierteren Armee benannt und Kosten sollen ebenfalls eingespart werden. Woran wird das bemessen werden können, befindet sich doch die Bundeswehr seit Ende der 1980er in einem ständig anwährenden Umwandlungsprozess. Von der Zusammenlegung der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR nach dem Mauerfall, über Standortschließungen und der „Laufbahnrevolution“ ab 2003, gab es keine Sicherheit mehr in der Standortwahl der Soldaten. Viele Veränderungen führen zu Unzufriedenheit, die sich unmittelbar auch auf den Dienstbetrieb auswirken. Attraktivität wurde auch im „Fall Bundeswehr“ schon sehr oft neu definiert und hatte bisher keinen wesentlichen Erfolg herbeigerufen. (eh)