Im nachfolgenden ist eine Timeline aufgezeichnet, die ab dem 01. März 2014 geführt wurde. Hierbei wurden allgemein zugängliche Medien genutzt, um einen geostrategischen Überblick zu erhalten. Seit den Unruhen den vergangenen Wochen hat sich die politische Lage in der Ukraine drastisch verschlechtert. Die Flucht des geschiedenen Präsidenten Janukowitsch konnte nichts an der aktuellen Lage im Land verändern- im Gegenteil. Russische Quellen versorgen nach wie vor die Bewohner der Halbinsel Krim mit Informationen aus dem HQ (Headquarter) Moskau, denn viele der Bürger dort sind russischer Abstammung. Sie glauben an einen faschischtischen Putsch und halten zu den Aussagen Putins. Europa versucht unterdessen die Lage zu beruhigen und als Vermittler zu fungieren. Die amerikanische Version unter der Schirmherrschaft Obamas scheint derweil zu scheitern. Was seit März 2014 in der Ukraine geschah:
28.02.14 (FAZ – Friedrich Schmidt aus Moskau)
Mit lauter Stimme und mehr als eine Stunde lang sprach Viktor Janukowitsch am Freitagnachmittag in Rostow am Don. Die Stadt liegt im äußersten Südwesten Russlands, die Grenze zur Ukraine ist nicht weit. Deutlich wurde, was spätestens nach der Erklärung, die drei russische Nachrichtenagenturen am Donnerstag veröffentlicht hatten, bekannt war: Janukowitsch betrachtet sich noch immer als Präsident des Landes. Doch konnte er bei der am Donnerstagabend angekündigten Pressekonferenz, dem ersten Auftritt nach seinem Verschwinden am Samstagmorgen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass er selbst keine Möglichkeit hat, das Amt, das er weiterhin für seines hält, wieder auszufüllen. „Ich bin nirgendwo hin geflohen“, sagte Janukowitsch, dessen Worte live im Staatsfernsehen übertragen wurden. Laut russischen Medienberichten war ein Flugzeug mit Janukowitsch an Bord am Donnerstagabend um 22 Uhr von einem Militärflughafen im Nordwesten von Moskau nach Rostow am Don gestartet; laut anderen Berichten hingegen war er schon am Dienstag dort angekommen.
Wo genau er seit Samstag war und wie er nach Russland kam, ließ Janukowitsch offen. Neuerlich erzählte er, wie das Auto, in dem er am Freitagabend von Kiew nach Charkiw gefahren sei, noch in der Hauptstadt beschossen worden sei, „von allen Seiten“. Als Stationen seiner Reise nannte er dann nach Charkiw noch Donezk und den Flughafen von Lugansk nahe der Grenze zu Russland. Dann sei er auf die Krim gereist. So wollte er seine Tour durch den Osten der Ukraine verstanden wissen, keinesfalls als Flucht. Auch Angst habe er keine gehabt: Die Route sei aufgrund der „Sicherheitsbedingungen“ entschieden worden. Nach Rostow am Don sei er gekommen, weil ein „alter Freund“ in der Nähe wohne. Wie er überhaupt nach Russland gekommen sei, fragte ein Journalist. Janukowitsch verwies auf „patriotisch gestimmte Offiziere“, die geholfen hätten, „mein Leben zu schützen“. Eine Reise, keine Flucht – Im dunklen Anzug und vor vier blau-gelben ukrainischen Fahnen sprach Janukowitsch. Er sagte, er wolle für die Zukunft der Ukraine kämpfen, rügte die „profaschistischen Kräfte“, die in Kiew die Macht übernommen hätten, erneuerte den Vorwurf, das Abkommen mit der Opposition vom Freitag voriger Woche sei nicht erfüllt worden. Er, Janukowitsch, habe auf das Wort der Außenminister der westlichen Staaten – Deutschlands, Polens und Frankreichs – vertraut, die „faktisch als Garanten“ aufgetreten seien, und sei „zynisch betrogen“ worden. Zugleich schien Janukowitsch ein Angebot unterbreiten zu wollen: Wenn das Abkommen, das ihm vorerst einen Verbleib an der Macht erlaubt hätte, erfüllt werde, würde es die Situation in der Ukraine beruhigen. Janukowitsch sagte auch, er werde „sofort“ in die Ukraine zurückkehren, wenn die „Bedingungen meiner Sicherheit und der meiner Familie erfüllt sind“. Hinzu kamen Worte wie die, die russische Politiker nutzen, wenn sie die Situation in der Ukraine beschreiben.
Die „widerrechtliche“ Entscheidung des ukrainischen Parlaments, ihn abzusetzen, sei unter dem Druck automatischer Gewehre ergangen. Die Anklage gegen ihn wegen „Massentötungen“ vernichte den Staat. Einen Schießbefehl habe er nicht gegeben. Vielmehr seien die Kämpfer der Sondereinheit „Berkut“ „verbrannt, beschossen und getötet“ worden. Er habe sich bei ihnen entschuldigt. „Alles“, was auf der Krim passiere, sei eine Reaktion auf die Handlungen der „Banditen“ in Kiew. Die Krim müsse allerdings Teil der Ukraine bleiben. Den Mann, der nun für seine Sicherheit garantieren will, Russlands Präsidenten Wladimir Putin, hat Janukowitsch nach eigener Aussage noch nicht getroffen. Man habe telefoniert, sagte er, man wolle sich treffen, aber wann, das sei noch nicht klar. Um Waffenhilfe wolle er Putin nicht bitten, aber um Russlands Hilfe bei der Lösung der Krise. Aber Putin schweige, sagte Janukowitsch. Da wurde hinter dem polternden Ton seiner Worte die ganze Hilflosigkeit des Mannes offenbar.
02.03.14 (spiegel-online – Benjamin Bidder)
Moskau verleibt sich die Krim mit einem Handstreich ein. Der Kurs von Putin aber schwächt die gemäßigten Kräfte in der Ukraine. Das wird sich rächen. Denn wenn dort die Nationalisten die Macht übernehmen, werden sie Putins größter Feind.
Wann immer Russland ohne Rücksicht auf das Ausland eigene Interessen durchsetzt, wird an einen Ausspruch von Zar Alexander III. erinnert. Russland, hatte der Monarch gesagt, habe nur zwei Verbündete: seine Armee und seine Flotte. Wenn man den Propagandisten des Kreml aber glauben darf, hat sich nun noch ein dritter Alliierter auf die Seite Moskaus gestellt, und zwar etwas überraschend für alle Beteiligten: Es soll sich dabei ausgerechnet um die westliche Presse handeln. Sie habe „begonnen, den Kurs der Russischen Föderation in der Krim-Krise zu unterstützen“, heißt es etwa auf einer Webseite namens „Sputnik und Pogrom“. Das hat zwar wenig Berührungspunkte mit der realen Berichterstattung, wird auf sozialen Netzwerken in Russland aber dennoch tausendfach geteilt. Da heißt es, die Reporter aus Europa hätten endlich begriffen, dass auf dem Maidan keine Freiheitskämpfer gestanden haben, sondern ausschließlich hartgesottene Neofaschisten. Das war seit Monaten das Mantra der russischen Propaganda: Der Westen verschließe beide Augen vor den Neonazi-Horden, die wackere Polizisten drangsalieren.
Dass der Westen die Rolle der gewaltbereiten Rechten verschwieg, ist dabei ein Mythos, den man leicht entkräften kann. Russlands Rechtfertigungen sind hanebüchen – Der Maidan radikalisierte sich als Reaktion auf Polizeigewalt und Janukowitschs Versuche, die Proteste mit Rückendeckung aus Moskau einfach auszusitzen. Die Studenten, die nachts am 30. November von Polizeiknüppeln niedergestreckt wurden, trugen weder Helme, noch Knüppel oder gar Pistolen. Russlands Rechtfertigungen für seine Militärintervention in der Krim sind hanebüchen. Uno-Botschafter Witali Tschurkin sprach vor den Vereinten Nationen von Verletzten, es habe einen Überfall maskierter Freischärler aus Kiew auf das Innenministerium der Krim gegeben. Auch Walentina Matwienko sprach von mehreren Todesopfern, sie ist Vorsitzende des russischen Föderationsrats, der Putin im Eiltempo einen Blanko-Scheck für den Einmarsch in der Ukraine ausstellte. Vermutlich hat es diesen Überfall nie gegeben. Bis heute gibt es weder Aufnahmen des Angriffs, noch eine offizielle Bestätigung der Toten. Im Gegenteil: Die Miliz der Krim – immerhin dem angeblich attackierten Innenministerium unterstellt – wollte den Stürmungsversuch zunächst nicht bestätigten. Auch der Chef des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, erklärte, Angaben über Opfer lägen ihm nicht vor. Nicht radikaler als ein Sparkassen-Vorstand – Viel spricht dafür, dass Moskau den Einfluss der Rechten auf dem Maidan überzeichnet, weil das einen bequemen Vorwand für den Einmarsch bietet. Dem russischen Publikum an der Heimatfront wird er als antifaschistische Rettungsmission verkauft. In Wahrheit dient er kaltem geopolitischem Kalkül. Moskau verleibt sich die Krim wieder ein, und damit auch den strategisch wichtigen Schwarzmeerhafen Sewastopol. Es stimmt schon: Die Mitglieder des „Rechten Sektors“ schüchtern Beamte, Polizisten und Staatsanwälte ein, sie halten sich für die neue Ordnungsmacht in der Ukraine. In dieser schwierigen Situation braucht die neue Übergangsregierung jede Hilfe, um das Abgleiten in die Anarchie zu verhindern. Der Kreml aber verspottet das neue Kabinett. Moskaus Premierminister Dmitrij Medwedew sagt, man könne schwerlich zusammenarbeiten mit „Leuten, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern“. Das ist grotesk, denn geführt wird das Kabinett von Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Premierminister Arseni Jazenjuk. Beide sind seit langem in der Politik, meistens in der zweiten Reihe, und strahlen nicht mehr Radikalität aus als ein deutscher Sparkassen-Vorstand. Die Übergangsregierung steht mit dem Rücken zur Wand – Dank Russlands Pressing steht die neue Übergangsregierung in Kiew schon jetzt mit dem Rücken zur Wand. Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch und seine Vertrauten haben den Staat ausgeplündert, sie hinterlassen ein Land am Rande der Pleite. Turtschinow und Jazenjuk müssen den Bankrott jetzt verhindern, zugleich aber auch Maßnahmen für einen Abwehrkrieg treffen. Der Kreml hat beide in eine Lage gebracht, in der sie nur verlieren können.
Die Ukraine braucht Reformen, für deren schmerzhafte Folgen wird die Bevölkerung die Übergangsregierung verantwortlich machen. Bringen Jazenjuk und Turtschinow die ukrainische Armee gegen die russischen Verbände in Stellung, droht ihnen ein Blutbad. Moskau ist militärisch haushoch überlegen. Ergeben sie sich aber kampflos in ihr Schicksal, werden ihnen radikale Nationalisten Verrat an der nationalen Sache vorwerfen. Alles deutet darauf hin, dass sich Moskau die Krim mit einem Handstreich einverleibt, womöglich kommen Teile im Osten des Landes hinzu. Der Kurs des Kreml aber wird sich rächen, weil er die gemäßigten Kräfte in der Ukraine nachhaltig schwächt. Er könnte den Weg zur Macht ebnen für die Nationalisten, und wenn sie eines Tages wirklich das Steuer übernehmen in Kiew, werden sie auf Rache sinnen.Russlands Rechtfertigungen für seine Militärintervention in der Krim sind hanebüchen. Uno-Botschafter Witali Tschurkin sprach vor den Vereinten Nationen von Verletzten, es habe einen Überfall maskierter Freischärler aus Kiew auf das Innenministerium der Krim gegeben. Auch Walentina Matwienko sprach von mehreren Todesopfern, sie ist Vorsitzende des russischen Föderationsrats, der Putin im Eiltempo einen Blanko-Scheck für den Einmarsch in der Ukraine ausstellte. Vermutlich hat es diesen Überfall nie gegeben. Bis heute gibt es weder Aufnahmen des Angriffs, noch eine offizielle Bestätigung der Toten. Im Gegenteil: Die Miliz der Krim – immerhin dem angeblich attackierten Innenministerium unterstellt – wollte den Stürmungsversuch zunächst nicht bestätigten. Auch der Chef des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, erklärte, Angaben über Opfer lägen ihm nicht vor. Nicht radikaler als ein Sparkassen-Vorstand Viel spricht dafür, dass Moskau den Einfluss der Rechten auf dem Maidan überzeichnet, weil das einen bequemen Vorwand für den Einmarsch bietet. Dem russischen Publikum an der Heimatfront wird er als antifaschistische Rettungsmission verkauft. In Wahrheit dient er kaltem geopolitischem Kalkül. Moskau verleibt sich die Krim wieder ein, und damit auch den strategisch wichtigen Schwarzmeerhafen Sewastopol. Es stimmt schon: Die Mitglieder des „Rechten Sektors“ schüchtern Beamte, Polizisten und Staatsanwälte ein, sie halten sich für die neue Ordnungsmacht in der Ukraine. In dieser schwierigen Situation braucht die neue Übergangsregierung jede Hilfe, um das Abgleiten in die Anarchie zu verhindern. Der Kreml aber verspottet das neue Kabinett. Moskaus Premierminister Dmitrij Medwedew sagt, man könne schwerlich zusammenarbeiten mit „Leuten, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern“. Das ist grotesk, denn geführt wird das Kabinett von Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Premierminister Arseni Jazenjuk.
Beide sind seit langem in der Politik, meistens in der zweiten Reihe, und strahlen nicht mehr Radikalität aus als ein deutscher Sparkassen-Vorstand. Die Übergangsregierung steht mit dem Rücken zur Wand. Dank Russlands Pressing steht die neue Übergangsregierung in Kiew schon jetzt mit dem Rücken zur Wand. Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch und seine Vertrauten haben den Staat ausgeplündert, sie hinterlassen ein Land am Rande der Pleite. Turtschinow und Jazenjuk müssen den Bankrott jetzt verhindern, zugleich aber auch Maßnahmen für einen Abwehrkrieg treffen. Der Kreml hat beide in eine Lage gebracht, in der sie nur verlieren können. Die Ukraine braucht Reformen, für deren schmerzhafte Folgen wird die Bevölkerung die Übergangsregierung verantwortlich machen. Bringen Jazenjuk und Turtschinow die ukrainische Armee gegen die russischen Verbände in Stellung, droht ihnen ein Blutbad. Moskau ist militärisch haushoch überlegen. Ergeben sie sich aber kampflos in ihr Schicksal, werden ihnen radikale Nationalisten Verrat an der nationalen Sache vorwerfen. Alles deutet darauf hin, dass sich Moskau die Krim mit einem Handstreich einverleibt, womöglich kommen Teile im Osten des Landes hinzu. Der Kurs des Kreml aber wird sich rächen, weil er die gemäßigten Kräfte in der Ukraine nachhaltig schwächt. Er könnte den Weg zur Macht ebnen für die Nationalisten, und wenn sie eines Tages wirklich das Steuer übernehmen in Kiew, werden sie auf Rache sinnen.
02.03.14 (tagesschau)
Zukunft der autonomen Halbinsel – Krim soll eigener Staat werden
Die Schwarzmeer-Halbinsel Krim soll nach Vorstellung der neuen pro-russischen Führung künftig als eigener Staat existieren. Das teilte Krim-Parlamentschef Wladimir Konstantinow der Agentur Interfax mit. Bei einem Referendum sollen die mehrheitlich russisch-sprachigen Krim-Bewohner demnach über eine Abspaltung von der Ukraine entscheiden. Die Volksbefragung solle eine Antwort darauf geben, ob der bisherige Status der Autonomen Republik in den eines Staates umgewandelt werde. Das Referendum war ursprünglich für den 25. Mai geplant, wurde aber am Samstag auf den 30. März vorverlegt. Grund dafür sei die zunehmende Verschlechterung der Lage auf der Halbinsel, sagte der Regierungschef der Krim, Sergej Aksjonow. Die neue Regierung in Kiew hält die Krim-Führung insgesamt für illegitim.
03.03.14 (tagesschau)
– Ukraine meldet russischen Truppenaufmarsch
Die Lage auf der Krim bleibt explosiv – und unübersichtlich. Nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzes setzt Russland die Verstärkung seiner Truppen auf der ukrainischen Halbinsel Krim trotz internationaler Proteste ungebremst fort: In den vergangenen 24 Stunden seien zehn Kampfhubschrauber und acht Truppentransportflugzeuge auf der Halbinsel gelandet, ohne dass die ukrainische Regierung vorab darüber informiert worden wäre, teilten ukrainische Grenzschutztruppen mit. Überdies seien seit dem 1. März vier Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte in den Hafen von Sewastopol eingelaufen. Ukrainische Grenztruppen berichten außerdem, gepanzerte Fahrzeuge seien an der russischen Küste gegenüber der Krim aufgefahren. In Teilen der Halbinsel werde außerdem das Mobilfunknetz durch Russland blockiert. Offenbar gab es in der Nacht auch zwei Luftraumverletzungen: Russische Kampfflugzeuge drangen laut Verteidigungsministerium in Kiew zwei Mal in den ukrainischen Luftraum über dem Schwarzen Meer ein. Ukrainische Abfangjäger seien aufgestiegen und hätten „provokative Aktionen“ verhindert. USA: Krim unter russischer Kontrolle: Die USA gehen inzwischen davon aus, dass Russland die vollständige Kontrolle über die Halbinsel hat. Vermutlich seien mehr als 6000 russische Soldaten in der Region, hieß es aus Regierungskreisen in Washington. Auch nach Einschätzung des britischen Außenministers William Hague hat Russland die faktische Kontrolle über die Krim übernommen. Russlands Intervention habe eine sehr gefährliche und angespannte Lage geschaffen.
Pro-russische Demonstranten in Donez: Pro-russische Demonstranten stürmen die Regionalverwaltung in Donezk, derweil kam es auch im Osten der Ukraine zu Auseinandersetzungen. Pro-russische Demonstranten besetzten teilweise das Gebäude der Regionalregierung in Donezk. Nach einer Kundgebung von rund 3000 Demonstranten schlug demnach ein Teil von ihnen Fensterscheiben ein, drang in das Gebäude ein und besetzte mehrere Etagen. Sie schwenkten russische Flaggen und und riefen „Russland, Russland!“ Die Polizei griff zunächst nicht ein. Donezk gilt als Hochburg des gestürzten prorussischen Staatschefs Viktor Janukowitsch. In vielen Städten im Osten und im Süden der Ukraine kommt es seit Samstag zu pro-russischen Kundgebungen. Die Regierung in Moskau hatte mit einer Militärintervention gedroht, um die russischstämmige Bevölkerung zu schützen. Seine Truppen auf der Krim hatte Russland verstärkt. Präsident Wladimir Putin hatte sich vom russischen Parlament die Entsendung von Truppen auf die ukrainische Halbinsel Krim genehmigen lassen. Die Führung in Kiew richtete einen Appell an Moskau, seine Truppen zurückzubeordern. „Wir stehen am Rande einer Katastrophe“, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. Die Ukraine versetzte ihre Streitkräfte in Gefechtsbereitschaft. Zudem verfügte Übergangspräsident Alexander Turtschinow, die Sicherheitsvorkehrungen an Atomkraftwerken, Flughäfen und anderen strategisch wichtigen Orten zu verschärfen. Unklar ist, ob die Marineeinheiten der Ukraine der Übergangsregierung in Kiew den Befehl verweigern oder weiterhin loyal sind. Der Chef der ukrainischen Marine war gestern entlassen worden, nachdem er zur pro-russischen Regionalregierung auf der Krim übergelaufen war. Gegen Denis Beresowski wird wegen Hochverrats ermittelt, sagte Viktoria Siumar vom Nationalen Sicherheitsrat. Der neue prorussische Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow verteidigte derweil die Machtübernahme auf der Schwarzmeer-Halbinsel. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew hätten Politiker auf dem Maidan zuletzt das Volk aufgerufen, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen. „Nun, das Volk hat sie genommen“, sagte Aksjonow in einem Interview der russischen Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“. Was für die Hauptstadt Kiew gelte, müsse auch für die Autonome Republik Krim gelten, betonte er.
03.03.14 (Die Welt – Jette Moche und Julia Smirnova)
Auf der ukrainischen HalbinselKrim besteht nach den Worten des Präsidenten des russischen Unterhauses derzeit „keine Notwendigkeit“ einer Militärintervention Russlands.
Prorussische Demonstranten haben am Montag das Gebäude der Regionalregierung in der ostukrainischen Stadt Donezk teilweise besetzt. Sie drangen in die erste Etage des elfstöckigen Gebäudes vor. Den Demonstranten gelang es, über einen Nebeneingang in das Haus zu gelangen, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Da die Aufzüge nicht funktionierten und die Türen nach oben blockiert waren, konnten sie zunächst nicht in die oberen Stockwerke gelangen. Auf dem Gebäude weht bereits seit drei Tagen eine russische Flagge. Hunderte vor dem Regierungsgebäude versammelte Demonstranten schwenkten russische Fahnen und riefen „Putin, komm“. Der Anführer der Proteste verlangte, das Parlament in Kiew für unrechtmäßig zu erklären und einen prorussischen Gouverneur für Donezk zu ernennen. Donezk ist die Heimatstadt des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. In vielen Städten im Osten und im Süden der Ukraine kommt es seit Samstag zu prorussischen Kundgebungen. Die Regierung in Moskau hat mit einer Militärintervention gedroht, um die russischstämmige Bevölkerung zu schützen. An der Grenze zur Halbinsel Krim zog das russische Militär Kräfte zusammen. Auf der ukrainischen Halbinsel Krim besteht nach den Worten des Präsidenten des russischen Unterhauses derzeit „keine Notwendigkeit“ einer Militärintervention Russlands. Es sei „derzeit nicht notwendig“ für Russland, von seinem „Recht zu einer Militärintervention“ Gebrauch zu machen, sagte Duma-Präsident Sergej Naryschkin am Montag laut Berichten russischer Nachrichtenagenturen. Naryschkin berief sich auf die Zustimmung des russischen Föderationsrates für eine Intervention in der Ukraine.
03.03.14 (Die Welt – Uwe Schmitt)
Überzeugende Lösungen, wie die USA Russland ohne eine Kriegsdrohung auf der Krim Einhalt gebieten könnten, hat niemand. Die Sorge wächst, die Krim-Invasion könne sich als bloßes Vorspiel erweisen.
US-Außenminister John Kerry, der am Dienstag in die Ukraine reist, kann sich Russlands Ausschluss aus der G 8 für einen „Gewaltakt des 19. Jahrhunderts im 21. Jahrhundert“ vorstellen. Madeleine Albright erinnert an Amerikas Desinteresse 1938 und die Reue danach. John McCain nennt Barack Obama den „naivsten Präsidenten in der US-Geschichte“. Und ein anderer Republikaner spottet, Präsident Obama trete mit Murmeln zum Schach gegen Putin an. Wer Rang und Namen hat, selbst halb vergessene, und eine Meinung zur russischen Invasion auf der Krim nicht scheut, äußerte sich am Sonntag in Polittalkshows. Amerikanische Parteipolitik infiltriert das Thema langsam. Hilflosigkeit und Aggressivität – Überzeugende Lösungen, wie die USA Russland ohne eine (aberwitzige) Kriegsdrohung Einhalt gebieten könnten, hatte niemand. Viele wirkten hilflos aggressiv im Stimmengewirr, einige Gelehrte hoben das Niveau um so höher. Kerry zählte „Visa-Entzug, eingefrorene Konten, Isolation Russlands bei Handel und Investitionen“ auf. Der Frage, ob die USA Russland im Notfall mit Gewalt zur Räson bringen würden, wich er aus. Wer kein Amt innehat, spricht offen. Niemand wird dem polnisch-amerikanischen Politikwissenschaftler Zbigniew Brzeziński (Jahrgang 1928) jahrzehntelange Erfahrung und kluges Urteilsvermögen über die Sowjetunion und ihren Reichsverweser Russland absprechen. Die USA müssten die neue ukrainische Regierung diplomatisch anerkennen, sagte er auf CNN, und den Russen sofort die „massiven negativen Konsequenzen“ klarmachen. Man müsse zusammen mit den Europäern Moskaus Planung „komplizierter machen“. Und zwar, indem man Vorbereitungen für ein Eingreifen der Nato (zur Sicherung Polens an dessen Grenze zur Ukraine) treffe und Moskau zugleich ins Gespräch auch im Nato-Rahmen verwickele. Die Krim-Invasion könne sich als bloßes Vorspiel erweisen, befürchtet Brzeziński, mit von Moskau angestachelten Aufständen im Osten der Ukraine als nächsten Schritt: „1938 wurde versäumt zu handeln“, die USA sollten nicht wieder zu spätes Eingreifen bereuen müssen. Madeleine Albright, geboren in Prag im Jahr vor dem Münchner Abkommen, gab Brzeziński in der CNN-Sendung recht und übernahm die Analogie vom Versagen des Westens 1938. Die Außenministerin unter Ex-Präsident Bill Clinton sieht einen Bürgerkrieg kommen, falls sich die gefährliche Situation nicht entschärfen lasse: „Es gibt eine Menge Waffen in der Ukraine, und die Menschen werden immer wütender.“ Jeder Vergleich mit Jugoslawien sei falsch. Die Russen hätten damals nie verstanden, dass das Land längst auseinandergebrochen war. Albright glaubt, dass sich Wladimir Putin verkalkuliere und die ethnischen Probleme, die er aufstachle, unterschätze. Die beiden ehemaligen US-Außenpolitiker waren sich einig: Moskau muss so rasch wie möglich isoliert werden und den Schmerz spüren. Ohne die Gesprächsbereitschaft aufzugeben. Das sehen Republikaner in der Form anders, in der Substanz haben sie nicht mehr realistische Strafen für Russland zu bieten. Mike Rogers, republikanischer Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, sieht Putin Schach spielen und „wir spielen Klicker“.
„Naivster Präsident in der Geschichte“
Barack Obama sei zu weich und naiv, sein Sicherheitsrat verteile Vorteile händeweise an die Russen. Für derlei Kritik ist sich Senator John McCain zu fein. Der glücklose Widersacher Obamas 2008 und profiliertester Sicherheitsexperte der Republikaner zögert freilich nicht, den „naivsten Präsidenten in der Geschichte“ auszurufen, um Obama zu treffsicheren Sanktionen und zur Rückbesinnung auf die Raketenabwehr (in Europa) zu ermuntern. Das „Reset“ der Beziehungen zu Russland von 2009 sei gescheitert. Zugleich gab McCain zu, dass sich selbst für „einen Falken wie mich“ kaum realistische Strafoptionen anböten. US-Marineschiffe ins Schwarze Meer zu schicken, wie 2008 nach Russlands Einmarsch in Georgien, hält er für Unsinn: „Keine guten Idee: es sei denn, man ist entschlossen, die Schiffe auch einzusetzen.“ Das sieht wiederum David Kramer, unter Ex-Präsident George W. Bush für Russland und die Ukraine zuständiger Staatssekretär, anders. Die USA sollten Flottenverbände „für Notfälle“ ins Schwarze Meer verlegen. Weiterhin sollten sie alle Gespräche mit Russland über Handelserleichterungen oder Geschäftsbeziehungen abbrechen, Finanzsanktionen gegen Russlands staatliche Banken verhängen, eine Resolution des UN-Sicherheitsrats durchsetzen,
um Moskau durch sein Veto zu entblößen, endlich die Russen gemeinsam mit den übrigen sechs Mitgliedern aus der G 8 ausschließen und Präsident Obamas Trip nach Sotschi im Juni absagen. Vage zitiert Kramer „einige“, die für die Entsendung von US-Truppen in den Westen der Ukraine seien. Diese Abenteurer sollten sich öffentlich bekennen. Weder die Amerikaner noch die Ukrainer dürften auf solchen Wahnsinn Lust haben. Die vernünftigen Stimmen in der US-Debatte wissen, dass keine Aktion des Westens die Ukraine retten kann, allenfalls die Nato lässt sich noch vor dem Zerfall retten. Als russische Truppen 2008 in Georgien einmarschierten, waren Wladimir Putin und George W. Bush Ehrengäste der Olympischen Sommerspiele in Peking. Bush riskierte keine Eskalation, Moskau verleibte sich ungestraft Teile Georgiens ein. Ein Jahr später war von einer Isolation Russlands nichts mehr zu spüren. Es ließe sich darüber streiten, wer das militärische Drohpotenzial und seine Glaubwürdigkeit bei Alliierten wie Feinden mehr geschwächt hat: George W. Bush durch zwei verlustreiche, ungewonnene Kriege oder Barack Obama, der beide Kriege beendet hat und neue militärische Verstrickungen der USA zu vermeiden sucht.
Putins Gewaltakt verletzt Budapester Abkommen
Obama habe seine Glaubwürdigkeit eingebüßt, als er (im Wahlvolk unpopuläre) Luftschläge gegen Syriens Assad-Regime ankündigte und dann nicht befahl. Anders als der von den Republikaner angeführte Kongress, der ständig militärisches Eingreifen verlangte und Damaskus nicht sanktionieren wollte. Nicht zu beneiden war am Sonntag Außenminister Kerry, der in Politshows aller drei Networks dasselbe erzählen musste: Putin habe einen Gewaltakt aus dem 19. Jahrhundert im 21. Jahrhundert begangen, der internationales Recht, die UN-Charta, die Helsinki-Schlussakte und das Budapester Abkommen von 1994 verletze. Moskau handele „vollständig zynisch und widersprüchlich“. Über legitime Sorgen Moskaus um Russen in der Ukraine könne man reden, aber nicht während einer Invasion. Helfen wird den Ukrainern nur Gott – Nachdem Wladimir Putin 60 Milliarden Dollar ausgegeben habe, um in Sotschi vor der Welt dickes Make-up aufzutragen, gebe er nun diesen Imagegewinn preis. Die Ukrainer hätten gezeigt, dass sie tapfer gegen einen kleptokratischen Tyrannen kämpfen könnten. Russland werde jeden Goodwill verlieren. Alles wahr, mochten die Zuhörer Kerrys denken: Helfen aber wird den Ukrainern nur Gott. Dann gibt es da noch einen einsamen Dissidenten namens Steven Cohen, er ist emeritierter Princeton-Professor. Cohen hat Bücher über Russland aus einer linken, russlandfreundlichen Perspektive geschrieben. Nun sagt er: „Putin ist nicht Hitler, er ist weder ein Schurke noch ein neosowjetischer Imperialist, sondern ein Russe, der sein Land nach dem Desaster von 1991 wieder stark machen will.“ Laut Cohen hat Putin die Krise nicht in die Ukraine getragen, er habe die Krim-Invasion befehlen müssen. „Sieht man Putin im Kontext von 400 Jahren Geschichte, ist er – nach Gorbatschow und Jelzin – der am wenigsten autoritäre Führer Russlands.“ Und nehme man die Wohlfahrt der Juden in Russland als Gradmesser, hätten es die Juden besser unter Putin als je zuvor: „Fragen Sie Israel, dann werden sie es bestätigt bekommen“, so Cohen. Cohen, der Putin-Apologet, steht allein im amerikanischen Diskurs. Doch er kommt, anders als in Russland, frei und ohne Furcht vor Sanktionen zu Wort.
03.03.14 NEW YORK/LONDON/WIEN (dpa-AFX)
Die Ölpreise sind am Montag wegen der Verschärfung der Krim-Krise kräftig gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im April kostete am späten Nachmittag 111,38 US-Dollar. Das waren 2,31 Dollar mehr als am Freitag. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Ölsorte WTI stieg um 2,11 Dollar auf 104,69 Dollar. Am Wochenende hatte sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine um die Halbinsel Krim spürbar verschärft. „Dies hat die Ölpreise zum Wochenauftakt deutlich steigen lassen“, kommentierten Rohstoffexperten der Commerzbank. Russland zählt zu den weltweit wichtigsten Ölproduzenten. Der Großteil der Ölexporte von 5 Millionen Barrel pro Tag geht laut Commerzbank nach Europa. „Von daher verwundert es nicht, dass der Brentölpreis mit einem Anstieg reagiert, auch wenn das Risiko tatsächlicher Lieferausfälle gering ist.“ Zuletzt hatte die internationale Gemeinschaft im Konflikt um die Ukraine nach militärischen Drohungen aus Moskau ihrerseits ein diplomatisches Warnsignal an den Kreml geschickt. Alle G7-Industrienationen setzten als Konsequenz aus der russischen Intervention auf der ukrainischen Halbinsel Krim ihre Vorbereitungen auf das geplante G8-Treffen in Russland aus. Im Nachmittagshandel stützten zudem auch besser als erwartet ausgefallene US-Konjunkturdaten die Ölpreise. Der vielbeachtete Einkaufsmanagerindex für die Industrie hatte sich im Februar stärker verbessert als erwartet. Zudem gaben die US-Verbraucher im Januar mehr aus als prognostiziert und die Bauausgaben stiegen überraschend. Der Preis für Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) ging zuletzt hingegen zurück. Nach Berechnungen des Opec-Sekretariats vom Montag kostete ein Barrel am Freitag im Durchschnitt 105,92 US-Dollar. Das waren 18 Cent weniger als am Donnerstag. Die Opec berechnet ihren Korbpreis auf Basis der zwölf wichtigsten Sorten des Kartells./jsl/stb