Ich habe erst kürzlich darüber geschrieben und meine Ausführungen werden jetzt durch das taz- Interview von Ulrike Winkelmann ergänzt. Es geht im Interview zwar um zwei inhaltliche Aspekte, mir ist aber die Aussage wichtig, wieviel deutsche Soldaten zukünftig damit rechnen müssen, weiterhin am Hindukush im Feldlager sitzen zu dürfen. Die NATO spricht in diesem Zusammenhang von insgesamt 8.000 bis 12.000 Soldaten, die nach Aussage des Verteidigungsministers de Maiziére im „Speichenmodell“ in Afghanistan verbleiben sollen. Im deutschen Feldlager in Mazar-e-Sharif ist der größte militärisch genutzte Flughafen integriert, der nach Angaben des Verteidigungsministeriums zukünftig zivil genutzt werden soll.
Die Sicherungsmaßnahmen sollen nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern flächendeckend durch das afghanische Militär und der hiesigen Polizei gewährleistet werden. Ein heikles Thema, wenn doch erst kürzlich die Bundeswehr wieder in die Region ausgerückt ist, die sie zuvor mit geschwollener Brust an die afghanische Armee übergeben hat. Als ehemaliger und langjähriger Soldat maße ich mir in diesem Zusammenhang an, darüber als Fehlentscheidung mutmaßen zu dürfen. Viel zu spät wurde das Einsatzspektrum der Bundeswehr mit der NATO abgestimmt und der Schwerpunkt des Einsatzes verlagert. Hier geht es langfristig um Integration, Verständnis, langfristige Planungen. Wie kann ich helfen, auch wenn ich nicht mehr vor Ort bin und mich um die Belange der Bevölkerung zu kümmern? Geht es eigentlich darum, oder nur um eine reine Weste? Jeder Anwalt würde mich mit vielschichtigen Argumenten konfrontieren, aber die vorliegenden Fakten sprechen für sich. Hier geht es aber um einen weiteren Einsatz deutscher Soldaten, die außer der vorgegebenen Antwort zur Frage des Einsatzes keine Antwort auf diese Frage geben können. Über zwei Drittel der bisher in Afghanistan eingesetzten Soldaten haben weder Land noch Leute gesehen, lediglich den Weg vom Unterkuntfscontainer zur Truppenküche und dem Container, in dem sich ihr Arbeitsplatz befindet. Landläufige Berührungen gab es bei den Soldaten maximal bei den im Feldlager eingesetzten Einheimischen.
Die Bundeswehr ist im Verlauf der Jahre erfahrener und erwachsener geworden, so die Worte des Verteidigungsministers, aber an welchem Maß gemessen? Es ist auch allen klar, dass vor allem der derzeitige Verteidigungsminister keine Verantwortung für die bisher getroffenen Entscheidungen zu tragen hat. Sein Säcklein ist zwar klein, aber dank seines Vorgängers ein schweres. Dennoch geht es um Transparenz und Offenheit und nicht um den gezahlten Auslandsverwendungszuschlag, der dem Soldaten steuerfrei zusätzlich zum gezahlten Sold ausgezahlt wird. Kampfdrohnen wurden diskutiert und neue Rüstungsaufträge wurden aus Kostengründen gestrichen, so die Aussage des Handelsblatt:
De Maizière hatte sich mit den Herstellern unter Führung der EADS-Tochter Eurocopter darauf geeinigt, statt der ursprünglich bestellten 80 Tiger-Helikopter nur noch 57 abzunehmen. Die Zahl der Transportmaschinen NH 90 (NH steht für Nato-Hubschrauber) sinkt von 122 auf 100. Davon sollen 18 für die Marine umgerüstet werden, die seit langem auf neue Helikopter wartet. Eurocopter spricht von “harten, aber konstruktiven Verhandlungen”, die beiden Seiten Planungssicherheit gebracht hätten. Die Belastungen für das Unternehmen halten sich in Grenzen: Der Mutterkonzern EADS verbuchte dafür Rückstellungen von 100 Millionen Euro, darin sind die Abbestellungen der anderen beteiligten Länder bereits enthalten. De Maizières Stab will die eingesparten Beschaffungskosten nicht konkreter beziffern, diese unterlägen der Geheimhaltung, heißt es. Unbestätigt im Raum steht ein Betrag zwischen 100 und 200 Millionen Euro. Außerdem fallen die Betriebskosten der Bundeswehr niedriger aus als veranschlagt, da weniger Hubschrauber im Einsatz sind. Zahlen dazu nennt das Ministerium aber ebenfalls nicht.
Das Argument des Minsters sei das schwindene Potential der Bundeswehr. Doch noch einmal zurück nach Afghanistan: Was soll das Engagement von (circa) 600 bis (circa) 800 deutschen Soldaten am Hindukush ausrichten, wenn sie auf die Gesamtdauer des Einsatzes bisher keine langfristigen Erfolge zu verzeichnen haben? Es klingt bitter, muss aber rational betrachtet werden. Was soll später einmal ein Vater seinem Sohn antworten, wenn der fragt: „Papa, was hast Du in Afghanistan gemacht?“ Wie schon erwähnt, müsste die Mehrzahl der Männer sagen: „Ich saß dort nur im Büro mein Sohn!“
Zynismus in meinen Worten, aber anders kann kein Umdenken erwogen werden. Wie sollen zukünftige Einsätze aussehen? Der Verteidigungsminister spricht davon, dass man im Ministerium und innerhalb der militärischen Führung von Einsatz zu Einsatz dazu gelernt hat. Aha! Wieviel Einsätze benötigt die Bundeswehr also noch, um noch mehr Professionalität, Reaktion und Flexibilität zu erlangen? Die militärischen Führer vor Ort, wie General Kneip, haben bewiesen, unter Umständen etwas selbstverliebt den Einsatz zu führen. Entscheidungen werden seit dem jüngtsen Vorfall in Feizabad verschleppt, denn die Angst vor politischen Repressalien ist seither gestiegen. Soldaten entscheiden dann eher politisch korrekt, als es die militärische Lage innerhalb kürzester Zeit erfordern würde. (eh)