Erst vor wenigen Monaten wurde im Bundestag darüber debattiert, ob kurdische Peschmerga-Kämpfer durch die Bundesregierung unterstützt werden können und sollen. Die Merkel´sche Regierung hat auch schon Jahre zuvor betont, Deutschland werde sich auch in Zukunft stärker im Ausland engagieren. Jetzt also auch im Nordirak, denn die kurdische Autonomierregierung spielt inzwischen eine nicht ganz unwesentliche Rolle im Kampf gegen die radikal-islamische Terrorgruppe IS. Die Frage, ob Deutschland eine aktive oder passive Rolle einnehmen soll wurde schnell geklärt. Waffen und Gerät wurde nach Erbil geflogen und an die kurdischen Kämpfer übergeben, denn diese haben bislang fast ausschließlich mit leichten Waffen gekämpft. Inzwischen gibt es zur Haltung der Bundesregierung in puncto Sicherheitspolitik auch eine vierseitige Veröffentlichung der Stiftung Wissenschaft und Politik und vom Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Die Wissenschaftler fassen das Konzept zur außenpolitischen Sicherheitspolitik unter bestimmten Gesichtspunkten zusammen:
Kapazitätsaufbau–altes Konzept, neues Interesse:
Die Idee des Kapazitätsaufbaus, nämlich Partner durch Beratung, Ausbildung und Ausrüstung in ihrer eigenen Handlungsfähigkeit zu stärken, stand schon lange vor der Zuspitzung im Irak auf der Agenda – allerdings meist im Zusammenhang mit weiter gefassten Bemühungen um Krisenprävention und -management. Die VN praktizieren dies seit langem und umfassend, etwa bei Sicherheitssektorreformen. Auch die EU unterstützt den Aufbau militärischer und ziviler Kapazitäten seit Jahren in Missionen wie EUTM Somalia oder der 2014 abgeschlossenen EUPOL RD Congo. In Deutschland ist der Ansatz mit der „Ertüchtigungsinitiative“ des Kanzleramts 2011 stärker ins Blickfeld gerückt.
Das ursprüngliche Ziel sei es gewesen, einen neuen Rahmen für die Begründung von Rüstungsexporten in problematische Zielländer zu formulieren. Dieser Rahmen beruhte auf der Idee, dass Deutschland und die westlichen Staaten jene Länder als „strategische Partner“ anerkennen. Der Versuch, die Nato-Staaten auf ihrem Gipfel 2012 in Chicago auf dieses Konzept einzuschwören, scheiterte jedoch. Ihre Idee, erweitert um den Aspekt des Fähigkeitsaufbaus, brachte die Bundesregierung daraufhin 2013 unter der Bezeichnung „Enable and Enhance Initiative“ (E2I) erfolgreich in die EU ein. Nach Ansicht der SWP rückt das Thema Ausrüstungshilfe deshalb in den Fokus, weil Deutschland an militärischen EU-Trainingsmissionen wie in Somalia (seit 2010) oder in Mali (seit 2013) beteiligt ist. Die Ausbildung von Polizisten und Soldaten ist aber nicht zuletzt von geringem Wert, weil nachhaltig die zugehörige Ausrüstung und fehlt und darüber hinaus stabile Partnerschaften. Die ISAF- Mission ist nachhaltig und rückblickend daran gescheitert, dass die sich ständig veränderten innenpolitischen Verhältnisse in Afghanistan auch die Bundeswehr zum Handeln zwang. Krisenmanagement sieht aktuell so aus. Die vormals durch Bundeswehr betreuten Bastionen Kabul, Feisabad, Kunduz und Mazar-e-Sharif sind auf ein Minimum an Truppe geschmolzen Inzwischen trifft man nur noch Verwaltung, Instandhaltung und Ausbilder im Regional Command North (RC North) Mazar-e-Sharif. Von einer aktiven Beteiligung ist man nach zahlreichen Verlusten auf die durch die SWP benannte „Ertüchtigungsinitiative“ übergegangen.
Der Präventionsansatz kommt Deutschland auch insofern entgegen, als er etwa im Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ und im Koalitionsvertrag verankert ist. Ein Blick auf verschiedene Krisen der jüngsten Vergangenheit zeigt jedoch, dass die deutsche wie auch die europäische Bereitschaft nach wie vor sehr begrenzt ist, frühzeitig substanzielle diplomatische, finanzielle und gegebenenfalls militärische Mittel einzusetzen, um die Zuspitzung einer Krise zu verhindern. Es erscheint aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, dass zum Beispiel vor der Verschärfung der Krise in Mali 2012 Mittel und Bemühungen in einem Umfang aufgewendet worden wären, die auch nur annähernd jenem des derzeitigen Engagements entsprochen hätten.
Der Fehler steckt jedoch wie all zu oft im Detail. Politisches und in diesen Fällen auch militärisches Engagement auf internationalem Boden ist jedoch zu oft von Begleiterscheinungen gespickt. Risiken sollen minimiert werden- leichter gesagt als getan. Ein Risiko ist, dass bei Regierungswechseln (auch durch absehbare Machtwechsel, wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 in Afghanistan) oder Umstürzen gut ausgebildete Kräfte und Ausrüstung in das Lager von Akteuren geraten, die sich den von Deutschland oder der EU im Rahmen von Sicherheitssektorreformen propagierten Zielen widersetzen. Ein in diesem Zusammenhang unvergessenes Ereignis war die Ausbildung der Mudschahedin durch die CIA im Kampf gegen die sowjetische Invasion. Später radikalisierten sie sich im Kampf gegen die USA. In Mali liefen 2013 von den USA ausgebildete Soldaten zu islamistischen Gruppen über und kämpften dann gegen die französischen Truppen der Operation Serval. Zahlreiche Waffen auf dem illegalen Markt in Westafrika stammen aus offiziellen Beständen, weil Sicherheitskräfte sie unter der Hand weiterverkauft haben. Ausstattungshilfe kann daher insofern von Interesse sein, als sie Exportoptionen für die heimische Industrie eröffnen.