Das Feuergefecht hält an. Die Soldaten der Bundeswehr, Angehörige des PRT Kunduz, befinden sich im Gefecht mit Kämpfern der Taliban. Immer wieder wird geschossen und es scheint kein Ende in Sicht zu sein. Die deutsche Patrouille befindet sich am 02. April 2010 routinemäßig in Chahar Darreh, südwestlich des Feldlagers Kunduz, auf ihrem Patrouillenweg. Die Lage hat sich seit den vergangenen Wochen immer wieder verschärft, aber niemand rechnet an diesem Tag mit einer derartigen Situation. Dann geschieht das, woran sicherlich jeder der Soldaten insgeheim gedacht hat, es aber nicht direkt aussprechen würde. Sie werden angegriffen und das auch von mehreren Seiten.
Jeder Soldat weiß, was diese Situation für ihn und seine Kameraden bedeutet- dieser Kampf ist ohne Verluste nicht zu überstehen. „Feind auf sechs Uhr! Übernehme Sicherung!“ Hastig wird die Stellung gewechselt, um zum einen eine gute Sicht beim Feuergefecht zu haben, aber auch um genügend Schutz vor feindlichem Beschuss zu bekommen. Nicht ganz einfach, denn einheimische Kämpfer sind dem Gegner taktisch immer einen Schritt voraus. Eine Gruppe, ein Zug oder aber auch eine Kompanie mit einer Stärke von vielleicht 100 Soldaten kann einen Kampf nur eine bestimmte Zeit überstehen- ohne Nachschub zu erhalten. Munition! Ein Soldat ohne Munition kann kein Gefecht führen, geschweige denn, es überstehen.
Ein weiterer Punkt, den Soldaten nie außer Acht lassen dürfen, ist die Bewegung. Ein Kampf in statischer Form ist für Angreifer immer von Vorteil, deshalb versuchten die angegriffenen Bundeswehrsoldaten nach den ersten drei getöteten Soldaten einen Stellungswechsel durchzuführen. Hiernbei geriet ein gepanzertes Fahrzeug der Patrouille auf eine in der Straße deponierte Sprengladung. Diese Szenen kannte die Bundeswehr bislang lediglich aus Videos der amerikanischen Streitkräfte im Irak. Die Taliban hatten an diesem Tag scheinbar an alles gedacht und diesen Überfall lange und kalkuliert im Voraus geplant. An diesem Tag sterben drei deutsche Soldaten, weitere werden verletzt, weil sie bei der Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit in einen feigen Hinterhalt geraten sind. Es ist der bislang schlimmste Vorfall, seit dem die Bundeswehr in Afghanistan aktiv ist.
Inzwischen Grund genug, um über derartige Vorfälle auch öffentlich zu diskutieren. Die Toten werden nicht wie Jesus Christus wieder auferstehen und uns allen die Erleuchtung bringen. Ihre Familien werden auch in diesem Jahr im stillen Gedenken an ihre toten Brüder, Ehemänner, Söhne und Enkel inne halten und sich nach dem Warum fragen. Eine Antwort wird es nicht geben, denn egal ob es einen humanitären oder politischen Beschluss dazu gab, deutsche Soldaten am fernen Hindukusch zu stationieren. Den Kampf gegen die Taliban, die gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Strukturen des Landes werden die westlichen Gesellschaften nicht verstehen und bezwingen.
Helmut Schmidt sagte 2008 bei einer Feierlichkeit in der Hamburger Bundeswehruniversität mit klaren und eindeutigen Worten:“Es hat in der Geschichte Afghanistans bisher nur einen kühlen Kopf gegeben- Alexander der Große! Denn er hat bei seinem Feldzug verstanden dieses Land nicht zu unterwerfen, denn es lässt sich nicht unterwerfen“. Im Oktober 2012 wurden die ersten deutschen Truppen aus Afghanistan abgezogen und der PRT* Feysabad wurde feierlich an die afghanische Armee übergeben. Das Ergebnis ist, dass in den vergangenen Tagen wieder deutsche Soldaten zur Unterstützung der ANA* in diese Region entsandt wurden. Die Frage steht auch in Zukunft offen zur Debatte- Gehen oder bleiben? Wenn wir bleiben, mit welchem langfristigen Ziel? Wie lange wird es brauchen, um den Afghanen Selbstständigkeit bescheinigen zu können. Können und wollen sie das überhaupt? Der Fragenkatalog wird endlos bleiben, auch die Frage, ob es der Einsatz bisher Wert war? (eh)
Quelle der aktuellen Einsatzzahlen der Bundeswehr vom März 2013: Bundesministerium für Verteidigung/ Berlin
*ANA- Afghan National Army
* PRT- Provincial Reconstruction Teams