Jan Martin Wiarda ist Redakteur bei DIE ZEIT. Am 12.06.2012 schrieb er einen Beitrag zum Thema Bundeswehr, dass schon nach neun Monaten Wehrdienst der Charakter des jungen Menschen Schaden nehmen würde. Natürlich rein wissenschaftlich gesehen! Ich kenne nun nicht á Detail die Vita des Kollegen, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass er, ohne ihm persönlich zu nahe treten zu wollen, den Dienst an der Waffe nicht angetreten hat. Schon nach meinem Post bei Facebook und den darauf folgenden Gesprächen habe ich gemerkt, dass es sich hier um eine mittelschwere Lawine handelt, die seitens der ZEIT losgetreten wurde. Aber um was geht es denn nun eigentlich? Charakterliche Formung, Werte und Normen, Ethik und Moral? Was haben nach Angaben der ZEIT die Forscher in den Lebensläufen der angehenden Soldaten untersucht? Fragen, die ich nicht als beantwortet erachte und ich mich vor meinen ehemaligen Kameraden stehen sehe. Natürlich nicht als Gallionsfigur, keineswegs, sondern eher als jemand, der analysiert und vermittelt, denn das allgemein bekannte Bild des Soldaten ist längst überholt.
Aber fangen wir von vorne an und ich beginne dabei gern bei mir! Wie war es als junger Mensch die Uniform zu tragen? Beweggründe sind dabei sicherlich vollkommen divergent, haben aber letztlich am Tag der Einkleidung ein gemeinsames Ziel gehabt- die Uniform! Ich entstamme einer militärischen Vergangenheit und wäre, hätte ich nicht gedient, eine Kette der Stranskys unterbrochen. Aber wo wird die beschriebene charakterlicher Veränderung ausgelöst und welche persönlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen ergeben sich daraus? In erster Linie geht es vor allem in hirarchischen Strukturen um Gehorsam, dessen muss man sich von Beginn an im Klaren sein. „Peace“ und „dauerhafter Frieden“ mit langen Haaren und Joint sind hier mehr als unangebracht und auch hierüber sind wir uns doch mehr als einig! Ich habe seit Veröffentlichung des Beitrages von Wiarda mit einigen ehemaligen Soldaten und vor allem deren Angehörige gesprochen. Alle wollen ungenannt bleiben, was auch berechtigt ist. Veränderungen hat es auf jeden Fall gegeben, dessen sind sich alle einig, nur ist die Frage, ob Wiarda mit seinem Beitrag recht behält. Was soll nun dem Charakter des jungen Menschen schaden zufügen?
Zugegeben, es herrschten noch zu meiner Grundwehrdienstzeit harte Worte, die inzwischen durch eine eher aufgeweichte „Bitte- Danke“ – Form in der Grundausbildung abgelöst wurde. Ungeachtet dieser Form, die nach meinem Erachten nicht zwingend zur Disziplin einer Armee führen kann, müssen sich hier junge Menschen in eine Struktur einordnen und eingliedern. Sie lernen neben dem Aufbau der Wäsche in ihrem Spind auch das ordentliche beziehen ihres Bettes. Grundtugenden, wenn man an das gemeinschaftliche Leben mit bis zu sechs Kameraden in einer Stube denkt. Also, auch bis hier keine Abnormalitäten. Nach der Grundausbildung kommt der Soldat in der Regel in einen Bereich, in dem er fachlich gefördert und entsprechend seiner Fähigkeiten eingesetzt wird. Das berüchtigte „Lotterleben“ der Grundwehrdienstleistenden beginnt hier in der Regel und genau hier setzt die Struktur der Bundeswehr aus. Für alle anderen Soldaten, die ihre Karriere, ihren Lebens- und Berufsweg in der Bundweswehr sehen, führt der Weg in eine andere Richtung.
Hier folgen inzwischen nahtlos Lehrgang an Lehrgang, um den Soldaten nach circa drei Jahren als Feldwebel, oder nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums als Oberleutnat in die Truppe zu „entlassen“. Auch an dieser Stelle frage ich mich, wo hier eine charakterliche Verformung statt gefunden haben soll.
Vor allem Frauen, die mit Soldaten in Kontakt kamen, äußerten sich mir gegenüber fast einstimmig.
Ich habe oft den Eindruck, dass diese Männer mehr einstecken können und weniger dazu
neigen aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, als das z.B. der „Durchschnittsakademiker“, weil sie sich nicht beweisen müssen, sondern wissen wer sie sind, was sie wollen und was sie können oder eben auch nicht können und daraus resultierend auch ihre Konsequenzen ziehen.
Harte Schale, aber weicher Kern, das sind oft die Kernaussagen, vor allem von Frauen, die mit Soldaten in Berührung kamen. Sicherlich mag es hier und da auch Unterschiede geben und gegeben haben, aber was zeichnet letztlich einen Soldaten aus? Schwäche? Viele von meinen ehemaligen Kameraden machen um sich als Person nicht viel Reden, Einfühlsamkeit ist auch nicht zwingend ihre große Stärke. Die jedoch erwähnte Agressivität ist meines Erachtens eher ein Zeichen von Durchsetzungskraft und Willensstärke! Wer sich in einer Führungsposition und – Rolle befunden hat, dem fällt es auf Anhieb nicht gerade leicht den Schalter auf „Neutral“ umzulegen. Führungsqualitäten und -Stärken besitzen nicht gerade viele Menschen, aber auch denen muss hier zugesprochen werden, sich immer in einer Ballance zwischen dem zivilen und etwas softeren und dem dienstlichen Leben zu bewegen.
Die Frage nach der Verwerflichkeit wird auch oft gestellt und Soldaten verstecken sich all zu oft hinter einer Fassade, die es im Grunde eigentlich nicht geben darf! Die gesellschaftlichen Werte und Normen passen zuweil nicht symmetrisch zu denen eines Soldaten. Vielleicht sollte eher eine Lanze gebrochen werden, für all diejenigen, die durch ihre Erfahrungen und Erlebnisse ein Trauma mit sich tragen. All diejenigen, die auch nach langer psychologischer Behandlung nicht mehr in der Lage sind, sich regelkonform den gesellschaftlichen Anforderungen anzupassen, muss es möglich sein, akzeptiert zu werden. Als vielleicht abschließende und offene Frage muss es lauten: Ist es eine Schande Uniform zu tragen? (eh)
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