Kommentar- Welche tatsächlichen „Altlasten“ hat die Bundeswehr? Sie sind immer wieder im Focus der Presse, die Jungs und Mädels in Grün und Blau. Die Meldungen reißen in den vergangenen Monaten einfach nicht mehr ab, abgesehen davon, dass der Chef der Truppe sich selbst sehr gern in Szene setzt und auch mit der Frau Gemahlin in Afghanistan flaniert. Schaut der Herr Minister eigentlich auch genau hinter die Fassade und hört auch wirklich zu? Man könnte sich noch viel mehr Fragen dazu stellen, aber zunächst einmal der Rückblick.
2010 war nicht das Glanzjahr der Bundeswehr. Gab es zwei tote Soldaten, die hätten vermieden werden können. Eine 25-jährige Kadettin stürzte von der Takelage der „Gorch Fock“ und stirbt kurz darauf in einem brasilianischen Krankenhaus. Der Mannschaft wird versuchte Meuterei vorgeworfen, weil sie die Fahrt ohne Trauer um die Kameradin und Verbesserungen der Sicherheit an Bord nicht fortsetzen wollten. In Afghanistan kommt ein junger Soldat ums Leben, getroffen durch ein Geschoss, abgefeuert von seinem eigenen Kameraden. Zunächst gab das Ministerium bekannt, es handelte sich um einen Unfall, der sich beim Waffenreinigen ereignete. Neuesten Erkenntissen zufolge löste sich der Schuss beim spielerischen Umgang mit der Waffe. Nicht bekannt ist, ob es unter Einwirkung von Alkohol geschah. Und die neueste Meldung berichtet von geöffneten Feldpostbriefen, ausschließlich Briefe einer ganz bestimmten Einheit. Diese operierten als Schutz- und Ausbildungsbattaillon (ASB) mit afghanischen Soldaten in Nordafghanistan. Briefe wurden geöffnet, Inhalte oder ganze Briefe kamen nicht in der Heimat an. Das Verteidigungsministerium hatte sich stets bemüht, Informationen aus dem Einsatzland geheim zu halten, daher wurde auch die Vermutung geäußert, es werde zensiert. Die Frage ist ebenso offen, ob der militärische Abschirmdienst (MAD) oder das Amt für Militärkunde (AMK; Geheimdienst, angegliedert an den BND) darin verwickelt sein würden.
Vorwürfe werden laut, den Soldaten und Soldatinnen nicht zugehört zu haben, wenn es Beschwerden gegenüber Vorgesetzten gab. Hat der Stab des Wehrbeauftragten nicht korrekt gearbeitet, dass erst jetzt von vielen Vorwürfen Kenntnis erlangt werden konnte? Die Truppe wird sich in naher Zukunft einen sehr konkreten Personalwandel unterziehen. Die Wehrpflicht wurde in der ersten Januarwoche zum letzten mal aufgerufen, danach werden ausschließlich freiwillige zum Dienst an der Waffe herangezogen. Ein großes Ereignis seit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Folgen sind schwer absehbar und der Verteidigungsminister muss sich in den kommenden Tagen auch zum Wehretat äußern. Die Bundeswehr wird schwer zu kämpfen haben neue Rekruten anwerben zu können. Aber wie in jedem Kampf gibt es Kollateralschäden, die in einem „vertretbaren Ausmaß hinzunehmen“ sind. (eh)